Fortsetzung des Artikels aus DOZ-12-2009

Corneale Implantate

Dr. Joseph Stoiber aus Salzburg ist ein Spezialist für corneale Implantate bei vorliegendem Keratokonus. Generell werden das Implantieren von Intacs und des Kera-Ringes immer dann erwogen, wenn eine kontaktoptische Versorgung bei noch tendenziell milder bis mäßiger Ausprägung mit un- überwindlichen Schwierigkeiten oder Intoleranz zu kämpfen hat. Bei Intacts handelt es sich dabei um mittelperipher intra stromal implantierte Ringsegmente (Implantationstiefe bei etwa zwei Drittel der Gesamtdicke der Cornea) mit hexagona- lem Querschnitt und einer Bogenlänge von 150° aus PMMA. Absicht ist eine verbesserte Topographie in Verbindung mit Visussteigerung und Astigmatismusreduktion im ektatischen Bereich des Kertokonus zu induzieren, um eine Brillentoleranz wieder bestmöglich zu gewährleisten. Als die ursprüngliche Zielgruppe dieser implantierten Ringsegmente gelten Patienten mit geringerer Myopie. Hier erfolgt seit etwa 20 Jah- ren die Implantation mit der Absicht, das Hornhautzentrum abzuflachen und die Myopie entsprechend zu reduzieren (je dicker die Ringsegmente, desto höher die beabsichtigte Wirkung). Das Hornhautzentrum bleibt unangetastet, der Eingriff ist reversibel und die Ringsegmente austauschbar. Prinzipieller Unterschied dabei ist, dass zur Myopiekorrektion die Intacs horizontal, bei Keratokonus vertikal, bei stark unsym- metrischer Topographie auch mit unterschiedlichen Durch- messern superior und inferior, eingesetzt werden.

Erste Implantationen dieser Intacs bei Keratokonus wurden 1997 durch den Franzosen Joseph Colin durchgeführt, die FDA- Zulassung erfolgte 2004. Vorraussetzungen sind eine klare optische Zone ohne Trübungen aufgrund von Vernarbun- gen, eine Hornhautmindestdicke von 450 Mikrometer in der zentrale 7-Millimeter-Zone sowie steilste K-Werte im Bereich von maximal 55 bis 57 dpt. Ungünstig sind hohe Ektasien und zügige Progressionsdynamik, übermässige Visuserwartungen sowie ein höherer Wert für die Pupillenöffnung mit resultieren- den Problemen beim Nachtsehen in Gestalt von Glare and Flare. Alternativ finden bei erhöhtem KK-Grad Intacs mit elliptischem Querschnitt und stärkerer Krümmung Verwendung. Komplikationen wie Perforation der Implantate in die Vorder- kammer sowie zu oberflächlich geratene Implantate oder deren Dezentration sind aufgrund der Präparation der Implan- tationskanäle mit Hilfe des Femtosekundenlaser sehr reduziert und nur noch marginal existent. Studien erstrecken sich auf einen Beobachtungszeitraum von 5 Jahren, Langzeiterfahrungen existieren eher noch nicht, Ergebnisse sind nur schlecht vorhersagbar.

Als Konkurrenz- bzw. Alternativprodukt zu den Intacs gilt der sogenannte Kera-Ring oder Ferrara-Ring mit triangulärem Querschnitt. Die Segmentdicke variiert hier zwischen 0,15 bis 0,35 Millimeter, die optische Zone ist mit 5 Millimetern zwar deutlich kleiner als bei den Intacts, dafür sind Korrektionen bis 12 Dioptrien möglich. Problemstellungen sind auch hier das resultierende Streulicht bei höherem Pupillendurchmesser. Bei 20 % der Patienten wird der Ring früher oder später wieder entfernt, die Option für eine perforierende Keratoplastik nach der Entfernung ist dabei allerdings in keiner Weise beeinträchtigt. Perspektivisch wird die Möglichkeit der Kombination mit Crosslinking vor, gleichzeitig oder nach Implantieren der Intacs geprüft und erforscht sowie an der Option gearbeitet, kleinere Ringsegmente herzustellen und zu verwenden.

Kollagenvernetzung

Prof. Dr. Farhad Hafazi aus Zürich ließ es sich selbst an seinem Geburtstag nicht nehmen, ein Klinisches Update über die Behandlung des Keratokonus durch Kollagenvernetzung hinsichtlich Prozedere, bisherige Erfahrungen und Indikationsstellung abzuliefern. Seit 9 Jahren und inzwischen weltweit in mehr als 90 Ländern praktiziert (seit Anfang 2008 läuft eine FDA-Studie zur Prüfung der Zulassung in den USA) bezweckt das Crosslinking eine biomechanische Verstärkung und Stabilisierung von Gewebe unter Verwendung des Vitamin B Ribo- flavin und mittels UVA-Licht als Energieträger. Die Verfahrenstechnik dazu ist noch nicht voll standardisiert und in stetigem Wandel begriffen. Klassisch betrug die Cornea-Mindestdicke dafür bisher 400 Mikrometer; inzwischen sind auch geringere Hornhautdicken bis 350 Mikrometer (ohne Epithel gerechnet) aufgrund der Verwendung von hypo-osmolarem Riboflavin (wenig Teilchen beinhaltend), unter dessen Einfluss die Cornea schon nach kurzer Einwirkzeit 30-40 Mikrometer aufquillt und damit das Endothel vor einer direkten UV-Schädigung bewahrt bleibt, indiziert.

Beim Krankheitsbild des Keratokonus verursachen Kollagenasen ein Aufweichen der Verbindung der Hornhautfasern untereinander, das Crosslinking arbeitet diesem Effekt entgegen. Nach einem Monat sind Auswirkungen der Vernetzung am Spaltlampenmikroskop mit schmalem Spalt in Form einer veränderten Reflektivität bis 300 Mikrometer in die Cornea hinein als sichtbare Linie aufgrund fehlender Keratozyten erkennbar. Diese Erscheinung hat keinen Einfluss auf den Visus und verschwindet i.d.R. nach 6 Monaten (Keratozytentod ist bei jedem chirurgischen Eingriff eine zu tolerierende Begleiterscheinung, mit der Zeit erfolgt aber deren Neubildung). Eine in Zürich mit 480 Augen bei 272 Patienten mit progressivem Keratokonus durchgeführte Studie ergab ausnahmslos in allen Fällen nicht nur eine Stagnation der Progression, in 50 % der Fälle resultierte ein verringerter maximaler K-Wert, d.h. der Keratokonus verbesserte sich. Bemerkenswert hierbei war die Feststellung, dass die induzierten Regressionen gegensätzlich zur natürlichen Progression verliefen.

Daraus wird aktuell allerdings keine als gesichert geltende Perspektive für den jeweiligen Patienten vor dem Eingriff abgeleitet, Langzeitbeobachtungen erst ergeben gesicherte und noch eindeutigere Schlussfolgerungen. Wenn alle Parameter eingehalten werden, gilt das Verfahren in der Mikrochirurgie inzwischen als extrem sicher, UVinduzierte Schädigungen existieren post-operativ praktisch nicht. Crosslinking gilt auch als Alternative zur Stabilisierung von Keratektasien nach LASIK: Bei etwa 90 % aller auftretenden post-operativen Komplikationen hat der Chirurg entweder einen Keratokonus forme fruste übersehen (Verdünnung der Corneadicke ohne erkennbare Ektasie nach vorne, Irregularitäten betreffen die ans Kammerwasser der vorderen äußeren Augenkammer angrenzende Innenfläche der Cornea praktisch ohne visuelle Einbussen, Häufigkeit 8-10 fach höher als Keratokonus mit irregulärer Topographie der Corneavorderfläche) oder es wurde zu viel Material abgetragen und damit die Biomechanik zu extrem verändert. Die Phase einer Schwangerschaft gilt als Gegenindikation für Crosslinking, weil der zwischenzeitlich deutlich erhöhte Östrogenspiegel die Hornhaut aufweicht, genauso wie schwere Neurodermitis aufgrund eines eher schwierigen und nicht komplikationslosen Heilungsverlaufes. Bei starken Rauchern ist ebenfalls Vorsicht geboten: Auswirkung des Rauchens ist eine mehr oder weniger stark gegerbte Haut, wodurch Crosslinks eher behindert als gefördert werden. In Einzelfällen gelang es mit Hilfe des Crosslinking sogar, Gewebe zerstörende infektiöse Prozesse in der Hornhaut zum Stoppen zu bringen: Die Desinfektionswirkung des UVA-Lichtes behinderte die Kollagenase und eine Keratoplastik konnte verhindert werden.

Indiziert ist die Kollagenvernetzung praktisch in jedem Alter, wenn der Keratokonus sich als progredient (Ansteigen der K-Werte um 1,5 dpt zwischen zwei Kontrollintervallen, festgestellt mit dem identischen Messgerät) erweist. Dies gilt besonders für die PMD, welche überwiegend nicht ab dem Alter von 40 Jahren auf Grund natürlicher Vernetzung und entsprechendem Ansteigen der Crosslinks bei steigendem Lebensalter stagniert. Prinzipiell sind Indikation und Kontraindikation aktuell noch nicht eindeutig definiert und die Methode noch nicht standardisiert. Christoph Ecke, Inhaber eines Kontaktlinsen- und Optometrie-Institutes in Dresden, schilderte zum Berner Keratokonus-Symposium und zur Jenaer VDCO Tagung 2009 seine Erfahrungen für Patienten bezüglich Brillenkorrektion und Kontaktlinsenanpassung nach Behandlung des Keratokonus durch Kollagenvernetzung. Im Umfeld der Dresdner Universitäts-Augenklinik, der Wiege des Crosslinkings tätig, zählen inzwischen entsprechend zahlreich behandelte Patienten zu seinem Klientel, bei denen versucht wurde, die Progression des Keratokonus für eine nicht sicher vorhersagbare Zeitspanne zu stoppen. Wirkliche Visusverbesserungen konnte er nur teilweise bei der Brillenkorrektion, überhaupt nicht bei der Kontaktlinsenkorrektion beobachten. Subepitheliale Trübungen regredieren nicht immer vollständig, die postoperativ erreichte Stabilisierung des Stromas führt in der Regel nicht zu einer objektiven Verbesserung des Kontaktlinsensitzverhaltens.

Die Epithelqualität stellt sich postoperativ als gleich bis fallweise sogar schlechter und fragiler heraus. Einhergehend mit einer deutlichen postoperativen Sensibilitätserhöhung hat dieser Punkt bei der Weiterversorgung mit formstabilen Kontaktlinsen primäre Auswirkungen auf die Art der Gestaltung. Er präferiert dabei die Verwendung entweder extrem verkleinerter, oder überwiegend deutlich größerer grenzlimbaler Linsendurchmesser sowie erhöhter Scheiteltiefen der KL mit weitgehender Apexüberbrückung. Generell ist eine maximale Austauschquote des praecornealen Tränenfilms erforderlich, der Eingriff verursacht teilweise eine erhebliche Reduzierung der subjektiven KL-Akzeptanz und damit wird der entsprechende Anpassaufwand erheblich komplexer. Eine Vergrößerung des Linsendurchmessers wird zunächst als erste Option angestrebt, mittelfristig allerdings eine sukzessive Reduktion vorgeschlagen, um eine Gewöhnung an langfristig kleinere Gesamtdurchmesser erst langsam aufzubauen.

Zu den großen Kontaktlinsentagungen kommen auch immer wichtige Anregungen von den Anpassberatern und Geschäftsführern der Firma Hecht Contactlinsen Freiburg. So trug Frank Widmerzum Berner Symposium Anwendungshinweise für die Hecht Keratokonuslinsen KAKC „plus 1“ und „plus2“ mit erhöhtem Scheiteltiefenwert vor und Silke Lohrengel gab Hinweise zum strategischen Vorgehen bei postoperativer kontaktoptischer Versorgung nach Keratoplastik. Generell bleibt festzustellen, dass dabei hypergasdurchlässige Materialien den eindeutigen Vorzug genießen sollten, um die Belastung des hinsichtlich Regenerationsgeschwindigkeit u.a. auf Grund eines überdurchschnittlich hohen Endothelzellenverlustes veränderten Gewebes möglichst gering zu halten. Mögliche Abstoßreaktionen des Fremdgewebes deuten sich zunächst in Form von Vascularisationen in Richtung Transplantatrand an, wobei die Verwendung einer Kontaktlinse prinzipiell nicht als erhöhtes Risiko diesbezüglich angesehen wird.

Der Erfolg der visuellen Rehabilitation und topographischen Stabilität des Wirtshornhaut-Tansplantat-Gefüges sind sehr stark in Abhängigkeit vom Ergebnis nach Ziehen der Fäden (Zeitraum 12-18 Monate nach der Transplantation) zu sehen, wobei der Chirurg refraktionschirurgisch hier zur Ergebnisoptimierung mittels Anbringen von Entspannungsschnitten oder dem Setzen von Spannungsnähten nachträglich meist noch einzugreifen in der Lage ist. Topographische Besonderheiten wie Stufen, Falten und deutlich unterschiedliche Abflachungen in den einzelnen Meridianen erfordern generell modifizierte Konturanpassungen mittels mehrkurviger Linsendesigns, häufig mittelperipher auch oblong verlaufend. Die Wahl des geeigneten Linsendurchmessers erfolgt individuell stark differierend von klein nach groß und umgekehrt. Priorität vor einem adäquaten, topographisch angelehnten Linsendesign hat die Mobilität der Kontaktlinse, um unbedingt der Gefahr eines statischen Festsitzes entgegen zu wirken. Ventilationsbohrungen bei starker Luftblasenbildung, mittelperipher reverse, auch torische oder quadrantendifferente Gestaltungen sowie partielle nachträgliche Ausdünnungen oder Abflachungen oben und/oder unten sind hier Mittel der Wahl, um die Dynamik einer stets schwimmenden Linse mit möglichst optimalen Austauschquoten des praecornealen Tränenfilms zu realisieren und aufrecht zu erhalten. Prinzipiell ist der richtige Zeitpunkt für den sinnvollen Einstig in eine kontaktoptische Versorgung nicht eindeutig definierbar. Bei einem binokularen Brillenvisus von 0.8 und höher ist seitens der Betroffenen die Motivation eher noch gering, der Leidensdruck noch nicht groß genug.

Ganz besonders schwierig verlaufen die Fälle, bei denen anfangs die spontane Sehleistung mit der aufgesetzten ersten Linse zunächst noch etwas schlechter als der gewohnte Brillenvisus ausfällt, da die gewohnten Kompensationsmechanismen der Augen hinsichtlich Abbildungsfehler höherer Ordnungen wie Koma nicht sofort und spontan umzustellen sind. Um einer möglichen Narbenbildung durch langjähriges Kontaktlinsentragen entgegen zu wirken, wäre der denkbare Einstieg eher später zu wählen. Anfängliche Weichlinsenversorgungen sind eher als Notlösungen anzusehen, da die Problemstellung der Gewöhnung an formstabile Kontaktlinsen in die Zukunft verschoben wird und zudem die Gefahr von Gefässeinsprossungen im Hinblick auf eine mögliche spätere Keratoplastik absolut kontraindiziert ist. Die Verwendung von Huckepacksystemen ist ähnlich zu sehen, Silikonhydrogele als Trägerlinsen rubbeln zudem deutlich mehr am Epithel als klassische Hydrogele!

Das anfängliche Fremdkörpergefühl ist in der Regel nicht lidinduziert, sondern cornealen Ursprunges, so dass der Durchmesserwahl für die Kontaktlinse eine entscheidende Bedeutung zukommt. Prinzipiell gibt es hierfür keine feste Regel, als mit- entscheidende Kriterien dafür gelten Hornhautdurchmesser, Sensibilität des grenzlimbalen Bindehautgewebes, Position und Spannung der Lider, Exzentrizitäten, Lage und Ausprägung des Apex. Um Aufschlüsse und Antworten über die periphere und grenzlimbale Corneatopographie zu erhalten, denn hier kann die aktuelle Erfassung mittels Keratograph noch keine tatsächlich verwendbaren Ergebnisse liefern, sollte eine der gesamten Hornhautgröße entsprechend dimensionierte Kontaktlinse aufgesetzt und klassisch mittels Fluoresceinbeobachtung analysiert und interpretiert werden.

Der Autor sieht sich auf Grund zahlreicher Fachgespräche in seiner Ansicht bestätigt, dass das vor einem Jahr stattgefundene Berner Keratokonus-Kontaktlinsen-Symposium hinsichtlich Praxisrelevanz für dieses spezielle Themengebiet von keiner der nachfolgenden nationalen und internationalen Tagungen erreicht wurde. Auch der wissenschaftliche Anspruch und der interdisziplinär vermittelnde Effekt waren beispielgebend. Die Referenten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben hervorragende Arbeit geleistet und die Tagungsteilnehmer aus diesen drei Ländern haben durch ihre rege Mitarbeit entscheidend zum Erfolg beigetragen.

Wir sehen mit Spannung dem nächsten Berner Symposium am 28. Oktober 2011 über Kontaktlinsenanpassung bei Kindern und Säuglingen entgegen.