Während des zurückliegenden Jahres hat es mehrere wichtige Kontaktlinsentagungen gegeben, die sich maßgeblich mit dem Keratokonus und dessen kontaktoptischer Versorgung beschäftigten, z.B. das Global Specialty Contactlens Symposium vom Januar 2009 in Las Vegas und die BCLA Clinical Conference vom Mai 2009 in Manchester. Im Folgenden soll eine Zusammenfassungversucht werden. Im Rückblick zeigt es sich, dass die Anpassung von Keratokonus-Speziallinsen im deutschsprachigen Raum sehr hoch entwickelt ist. Das zeigt vor allem ein Rückblick auf das Berner Keratokonus-Symposium vom Oktober 2008, das von Raphael Eschmann, Kontaktlinseninstitut Bern, und von Dieter Muckenhirn, Geschäftsführer Hecht Contactlinsen, initiiert und auch von maßgeblichen Vertretern der Augenheilkunde besucht wurde.

Differenzierungsmerkmale

Krankheitsbildern ektatischer Hornhautirregularitäten unterscheiden z.B. Eschmann und Früh nach Keratokonus, Keratoglobus, und PMD (pelluzid marginale Degeneration). Diese sind klassifizierbar aufgrund der topographischen Erfassung der Corneavorderfläche mit Hilfe von Keratograph, Orbscan, Pentacam oder Wellenfrontaberrometer.

Die Ergebnisse werden hinsichtlich Differenzialdiagnose und der entsprechenden typischen Merkmale nach wie vor sehr unterschiedlich diskutiert. Es sind übergreifend sämtliche Hornhautschichten betroffen, besonders die vorderen Hornhautbereiche weisen deutlich differenzierbare strukturelle Veränderungen auf wie u.a. eine verdünnte und unregelmäßige Epithelstruktur, es existieren Form- und Funktionsveränderungen der Keratozyten im Stroma als Resultat eines lokal gestörten Corneastoffwechsels.

Unter den genannten drei Differenzierungen tritt statistisch am häufigsten tritt ein Keratokonus auf. Erste Anzeichen für dieses Krankheitsbild sind erhöhte HH-Exzentrizitäten in Verbindung mit zunehmender Blendempfindlichkeit, meist während des Übergangs von der zweiten zur dritten Lebensdekade. Die Lage des Apex kann dabei von zentral über nasal, temporal oder inferior variieren, als Sonderform existiert, weitgehend im HH-Zentrum auftretend, ein sogenannter Bow-Tie-Astigmatismus. Keratokonus als kegelförmige Vorwölbung im fortentwickelten Stadium klassifiziert man eindeutig mittels der Vogtschen Linien und dem Fleischerschem Ring (farbige, rostbraune Einlagerung von eisenhaltigem Hämosidorin an der Konusbasis).

Das typischen Merkmal einer pellucid marginalen Degeneration (PMD) mit chirurgisch deutlich erhöhterem Komplikationspotential ist die Lage der weit dezentrierten maximalen Verdünnung in Bezug zur ausgeprägtesten Stelle der Vorwölbung. Bei Keratokonus hingegen befindet in der Apexspitze auch der dünnste Bereich. Bei PMD ist die maximale Verdünnung deutlich unter dem stets inferioren Apex und limbusnah lokalisiert sowie topographisch ein außergewöhnlich hoher zentraler Astigmatismus gegen die Regel messbar. Die topographische Auswertung weist die Erscheinung von „Kissing Birds“ auf. Nahezu der gesamte inferiore Corneaquadrant ist deutlich steiler gewölbt als der superiore Quadrant, nasal und temporal sind die Abflachung der peripheren Cornea dagegen kaum unterschiedlich.

Bei Auftreten eines Keratoglobus in Gestalt einer großflächigen, kugelförmigen Vorwölbung und deutlich erhöhten myopen Refraktionsdefiziten, welcher eine auffällige Verdünnung überwiegend der gesamten betroffenen Hornhautfläche aufweist, ist eine Kontaktlinsenan-passung generell am schwierigsten. Ausgeprägtes spiralförmiges corneales Staining und rezidivierende Erosionen sowie Hydrops als Vernarbungen sind erschwerende Begleit-erscheinungen mit hohem Komplikationspotential. Grosse Linsendurchmesser mit eher geringeren Abflachungen der Linseninnenflächen sind hier empfehlenswerte Auswahloptionen für den Kontaktlinsenpraktiker.

Der therapeutische Lösungsansatz zur angestrebten visuellen Rehabilitation mittels Kontaktlinsen orientiert sich generell an der korrekten und eindeutigen Klassifizierung der jeweiligen Hornhautkonstellation; fertigungstechnische Grenzen für hochkomplex definierte Kontaktlinseninnenflächen allein aufgrund der anatomischen Situation sind aktuell weitgehend nicht mehr entscheidend. Erst eine patientenzentrierte, interdisziplinäre Kooperation verbindet die Pole einer hochprofessionellen Kontaktlinsenversorgung mit der Mikrochirurgie, stets und ausschließlich zum Wohle der Betroffenen.

Anpassung bei Ekstasien

Bei Auftreten einer überwiegend bilateral angelegten, einseitigmeist stärker ausgeprägten dystrophischen Hornhauterkrankung mit begleitender Ektasie trifft man beim Entwicklungsstadium 3 oder 4 sehr häufig (Quote etwa zwei Drittel) schon auf stellenweise eingetrübte Bereiche aufgrund von Narbenbildung im Epithel oder dem vorderen Stromabereich. Eine hier physiologisch gut funktionierende kontaktoptische Versorgung gewährleistet den erforderlichen Tragekomfort primär durch eine intensive periphere Unterspülung und entsprechenden Flüssigkeitsaustausch des präcornealen Tränenfilms. Der Kontaktlinsenträger bemerkt in der Regel kaum Unterschiede hinsichtlich differierender zentraler Auflagen, die periphere Belastung ist für eine subjektiv zufriedenstellende Gesamtakzeptanz deutlich entscheidender. Weiche torische Versorgungsoptionen zeigen nur dann akzeptable visuelle Ergebnisse, wenn die Linsen möglichst dick gestaltet sind, sich zuverlässig stabilisieren und weitgehend statisch positioniert bleiben. Langfristig ist damit allerdings leider keine physiologisch einwandfreie Verträglichkeit ohne stoffwechselspezifische Einschränkungen erzielbar, die erforderliche ausreichend gute Tränenunterspülung ist nicht gewährleistet. Auch die nach zwischenzeitlichem Niedergang weltweit bedeutungslos gewordenen, in letzter Zeit in den USA aber wieder verstärkt in den Markt drängende Hybridlinsen (formstabiles Linsenzentrum aus Paragon HDS, peripher 27 prozentiges hydrophiles Material) sind in der aktuellen Form aufgrund von Festsitz und resultierenden Vascularisationen nach wie vor keine ernsthafte Alternative mit Perspektive.

Der Bereich der formstabilen Versorgungsoptionen weist inzwischen von kleinen Corneallinsen unterschiedlicher Durchmesser über grenzlimbale Gestaltungen bis hin zu Minisklerallinsen und Sklerallinsen ein erfreulich breit gefächertes Spektrum auf. Entscheidungskriterien für die jeweilige Auswahl findet der erfahrene Kontaktlinsenpraktiker im Typ der jeweiligen Ektasie, in deren flächiger Ausdehnung, im Grad der Ausprägung und mit Hilfe individueller topographischer Kriterien sowie im aktuellen Epithelbelastungszustand. Weit fortentwickelte und dabei noch dezentrierte Keratokonuskonstellationen oder das Auftreten einer PMD erfordern fast ausnahmslos asymmetrische Linsendesigns. Die Dimensionierung des individuell richtigen Linsendurchmessers ist stets als eine Einzelfallentscheidung in Verbindung mit dem verwendeten Linsendesign zu sehen.

Dabei spielen:

  • das Verhältnis der Verteilung von zentralem zu peripherem
    Astigmatismus und deren Richtungsauslegung (zu klären mit
    Hilfe der Fourrier-Analyse im Topographen),
  • die regulären Anteile des peripheren Astigmatismus (zu
    ermitteln mit Hilfe der Zernicke-Polynome) genauso wie die
    meridianweisen Höhendifferenzen und die Erkenntnisse über
    die höchsten und tiefsten Bereiche der HH-Topographie die
    mitentscheidenden Rolle.

Asphärische oder mehrkurvige, torische, quadrantendifferente Gestaltungsoptionen sind mit Hilfe entsprechend ausgestatteter Topographen im Vorfeld gut bis nahezu perfekt zu planen. Trotzdem sind bei der Planung und Realisierung funktionsgerechter kontaktoptischer Versorgungen und deren verantwortungsvollen Begleitung über viele Jahre hinweg stets einige Fragen nach wie vor immer noch nicht vollständig zu beantworten:

  • Ist die kontinuierliche Verwendung von Kontaktlinsen entzündungsfördernd?
  • Steigt das Risiko von unerwünschten Narbenbildungen?
  • Wie verhält es sich mit der Progression der Ektasie? –
  • Welche mechanischen und physiologischen Auswirkungen ergeben sich im Einzelfall aufgrund der jeweiligen Anpassart und des verabreichten Linsendesigns?

Die in den USA bereits über Jahre hinweg eine hohe Anzahl von betroffenen Keratokonuspatienten erfassende und begleitende CLEK-Studie beweist eindeutig, dass gezielt flach angepasste Kontaktlinsen die Progression der Erkrankung nicht verhindern, dabei aber kontinuierlich auftretende epitheliale Reizungen wie Stippungen oder subepitheliale Hyperblasien (SEH) besonders bei stärker fortgeschrittenen Ektasien leider zwangsläufig zu irreversiblen apikalen Narbenbildungen führen. Allerdings ist das visuelle Ergebnis mit Hilfe einer flacher angepassten Kontaktlinse meist deutlich zu optimieren.

Bei steiler angepassten Linsen als der physiologisch besseren Alternative wiederum sind im Rahmen der Studienbeobachtungen statistisch häufiger Ektasieprogressionen feststellbar, die periphere Unterspülung funktioniert häufig nicht optimal.

Die allgemein mittlerweile als der physiologisch beste Kompromiss unter Berücksichtigung aller subjektiv und objektiv relevanten Faktoren angesehene 3-Punkt-Konturauflage verfolgt das Ziel, aufgrund einer weitgehenden Überbrückung und resultierender, selbst bei Linsenbewegung weitgehend konstant bleibender Mindesttränenschichtdicke über dem Apex hier nur eine sanfte und entsprechend schonende Touchierung des mechanisch empfindlichsten HH-Bereiches zuzulassen. Apexentlastend wirkt sich darüber hinaus zusätzlich ein sogenannter V-Wert bei gleichbleibendem Zentralradius aus (eine die Scheiteltiefe erhöhende Linsendesignalternative beim Linsenhersteller Falco). Eine andere, ebenfalls Scheiteltiefen erhöhende Maßnahme besteht in Gestalt der neuen Design-Alternativen Pro 1 oder 2 beim Linsenhersteller Hecht. Unmittelbar angrenzend an die zentrale innenoptische Zone wird ein kurzer oblonger Verlauf angebracht und daran anschließend sofort wieder das Innenflächendesign mit asphärischer Konturgestaltung fortgesetzt. Ergänzend dazu wird die Vorderfläche obligatorisch mit entsprechend berechnetem asphärischem Korrekturwert zur Kompensierung schlechter werdender optischer Abbildungsverhältnisse neben der zentralen optischen Zone versehen. In nahezu idealer Form ist hier eine apexgerechte Anpassung zu verwirklichen, man erzielt ein besseres Verhältnis der hydrostatischen Kräfte der praecornealen Tränenanteile.

Indikationsstellung für chirurgische Maßnahmen

Prof. Dr. med. Beatrice Früh von der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des Inselspital Bern beobachtete in einer Langzeitstudie 46 Patienten unter 18 Jahren bereits über einen Zeitraum von mehr als 8 Jahren. Die generell dünnere und dabei elastischere Hornhaut mit teilweise sehr dynamisch wechselnden Radien und Druckverhältnissen des Augeninnern bei den beobachteten heranwachsenden Betroffenen ist deutlich kritischer zu betrachten und zu bewerten als bei erwachsenen Patienten. Die Quote der Keratoplastik liegt bei Patienten unter 13 Jahren mit 50 % überdurchschnittlich hoch. Die Zeitspanne zwischen erstmaliger Diagnose und Operation bei den sehr jungen in der Studie erfassten Betroffenen liegt im Durchschnitt bei knapp 5 Jahren; der Spitzenwert bei einem 15-jährigen Studienteilnehmer betrug dabei gerade einmal 2 Monate!

Im Falle sehr dynamisch beobachteter Progression bei Heranwachsenden drängt sich stets die Frage in den Vordergrund, ob die Anwendung der Kollagenvernetzung (Crosslinking), der bisher einzig wirksamen Methode zur Verlangsamung der Progression mit eher geringem Komplikationspotential, im Einzelfall im frühen Anfangsstadium bereits sinnvoll anzuwenden ist. Die noch relativ kurze Beobachtungszeit von 5 Jahren lässt aktuell die Beantwortung nach der Zuverlässigkeit der postoperativen Stabilität noch offen. Im Fall einer frühen Kontaktlinsenunverträglichkeit ergeben sich insgesamt eher schlechte Prognosen für den noch jungen Patienten: Die chirurgischen Optionen von im HHStroma implantierten Intacs oder die lamelläre Keratoplastik gelten bei weitem nicht als sichere Progressionsprophylaxe der Erkrankung, der unkorrigierte Visus steigt damit auch nicht zwangsläufig an und die Linsenunverträglichkeit ist post-operativ nach wie vor gegeben.

Die lamelläre Keratoplastik (schichtweises Abschälen der Cornea von außen nach innen und Erhalt der körpereigenen Descemtschen Membran und des Endothels im Operationsfeld) führt zwar zu einem anfänglichen Endothelzellenverlust bis zu 10 %, reduziert aber deutlich das Abstoßsungsrisiko für das transplantierte Fremdgewebe, die Rehabilitationszeit ist deutlich kürzer. Die operationstechnisch deutlich einfacher durchzuführende Technik der perforierenden Keratoplastik dagegen, vor allem bei sehr steilen Hornhäuten Mittel der Wahl, ergibt in der Regel bessere visuelle Ergebnisse auf Grund fehlendem Interface. Tiefer liegende stromale Narben, beispielsweise nach Hydrops, existieren postoperativ nicht mehr. Es gibt aktuell leider noch zu wenige Studien zum Vergleich der Resultate beider OP-Methoden, die wenigen existierenden veröffentlichten Beobachtungsergebnisse sind sich allerdings dann sehr ähnlich.

Prof. Dr. med. Thomas Neuhann aus München bekennt überraschend ehrlich, dass selbst er als international renommierter Hornhautchirurg nach 30 Jahren kontinuierlicher klinischer Tätigkeit auf viele Fragen bezüglich diverser chirurgischer Maßnahmen bei vorliegendem Keratokonus, Keratoglobus oder PMD noch immer keine erschöpfende Antwort gefunden hat. Dies beginnt bereits bei der Früherkennung der Erkrankung im noch nicht weit fortentwickelten Stadium und mit der dann auch sicher zutreffenden Diagnose, um der betroffenen Person frustrierende Irrtümer und -wege zu ersparen wie beispielsweise die Hoffnung auf eine visuelle Rehabilitation mittels refraktiver Chirurgie. Wirklich zutreffende Indizes, sichere Scores oder die Kombination aus beiden für eine möglichst frühe und eindeutig zutreffende Diagnose werden nach wie vor noch gesucht, die Valuierungen der existierenden sind gegenwärtig leider wissenschaftlich noch absolut unzureichend und für deren Anwendung entsprechend zu berücksichtigen; es ergeht nach wie vor die Forderung an den Praktiker vom Blick auf möglichst mehrere Indizes, an engmaschig angesetzte Verlaufskontrollen und dabei extremer Genauigkeit.

Mit der Anwendung von Untersuchungsmethoden wie beispielsweise dem sogenannten Randelman-Score, bedient man sich zur Diagnosestellung der Ermittlung einer Reihe topographischer Charakteristika, welche das Krankheitsbild Keratokonus definieren. Die Option einer beabsichtigten refraktiven Chirugie ist ärztlicherseits beim leisesten Zweifel abzulehnen und möglicherweise auf der sicheren Seite zu irren, um sich und den Interessenten nicht der Gefahr aussetzen, erst nach erfolgtem Eingriff diesen als absolute Kontraindikation zu erkennen. Refraktive Chirurgie ist nach Transplantationen im individuellen Bedarfsfall als nachträglicher Oberflächenabtrag in geringem und sehr sensiblen Maße nach klarer und dokumentierter Aufklärung zur Ergebnisverbesserung durchaus durchführbar.

Aber auch die Risikoeinschätzungen zu einer unbedenklichen Verwendung von Kontaktlinsen können nach wie vor als nicht eindeutig unbedenklich abgeklärt gelten. Eindeutig als historisch unsinniger Irrtum entlarvt gilt inzwischen die vor Jahrzehnten vertretene und lange nicht widerlegte Meinung von Kemmetmüller, der Progression der Erkrankung und damit fortschreitender Ektasie mittels flach angepasster Kontaktlinsendruckauflage tatsächlich und vor allem wirksam zu begegnen. Ob eine Kontaktlinsenverwendung als Progession provozierend, verzögernd oder neutral gelten kann, ob es dadurch zur Entstehung entzündlicher Mediatoren mit der Indikation von Apopthosis (plötzlicher Zelltod) kommen kann und was an der besonders im amerikanischen Raum geführten Diskussion um das Augenreiben wirklich dran ist, gelten nach wie vor als interessante, aber weitgehend ungeklärte Fragestellungen.

Aktuell ebenfalls noch sehr kontrovers diskutiert sind die Indikationskriterien für die Kollagenvernetzung: Ist eine solche Behandlung immer und in jedem Stadium angemessen, welche eindeutigen Beurteilungs- und Dokumentationskriterien hinsichtlich Progression existieren im Einzelfall, wie verhält es sich mit dem Alter des Patienten? Als derzeit klare und eindeutige Indikation gilt der Patientenstatus, bei welchem das Auge aktuell noch mit der verträglichsten Korrektion eine bedürfnisgerechte Funktion hat. Hinsichtlich Patientenalter gilt: Je jünger, desto geeigneter. Das bedeutet, dass eine eindeutige Indikation prinzipiell für den Altersbereich unter 35 Jahren gegeben ist. Patienten über 45 Jahre erscheinen dagegen deshalb ungeeignet und der Eingriff überflüssig, da der lebenslängliche Einfluss des natürlichen UV-Licht ohnehin eine progressiv verlaufende Vernetzung induziert. Aber auch hier befindet sich der Arzt stets im Entscheidungskonflikt, denn ein Progressionsnachweis als eindeutiger Indikationsgrund kann sich erst bei fortschreitendem Lebensalter und entsprechende ausgedehntem Beobachtungszeitraum ergeben. Bei der für eine Kollagen-vernetzung als ideales Patientenklientel angesehenen Zielgruppe der eher jungen Menschen gilt wiederum überwiegend der Tatbestand einer nicht stets sicher diagnostizierten Erkrankung! Und die Entscheidung zugunsten eines operativen Eingriffs ausschließlich in Abhängigkeit und auf Basis von einmalig erhobenen aktuellen objektiven Werten zu fällen, entbehrt absolut jeder wissenschaftlichen Grundlage.

Das Implantieren von Intacs oder dem Kera-Ring hinsichtlich Dicke, Länge, Symmetrie und vorgesehene Lage zur Topographie wirft ebenfalls noch Fragen auf, eine exakte Vorhersagbarkeit (jeder ist sein eigenes Versuchskaninchen…) und die Indikationsgrenzen sind nicht eindeutig definiert. Auch wird experimentell nicht ausgeschlossen, das Implantieren mit der Kollagenvernetzung nach dem Motto „Erst drücken, dann vernetzen“ zu kombinieren. Die Verfahren sind auf alle Fälle subjektiv weitgehend akzeptabel und technisch wie biologisch reversibel, die Anwendungsgrenzen liegen bei einer Dicke im Bereich von 450-400 Mikrometer für den dünnsten Hornhautbereich. Weitere Entscheidungskriterien sind existierende Narbenbildungen im Gewebe und die Ausdehnung der Ektasie, wobei Intacs aufgrund reduzierterer Druckausübung auch ein geringer begrenztes Deformationspotential besitzen als der Kera-Ring, demzufolge dessen Anwendung bei höheren Ektasieausprägungen bevorzugt wird. Die Tunnelpräparation für die Implantate können neuerdings sehr gewebeschonend, da geringer invasiv, mittels Femtosekundenlaser (allerdings deutlich kostenintensiver) erfolgen.

Die Keratoplastik als der intensivste und am weitesten gehende chirugische Eingriff bietet immer mehr Optionen. Bei der Epikeratoplastik (Hinzufügen eines Transplantates), einer seltenen Nischenindikation, bleibt die eigene Cornea vollständig erhalten und man vermeidet Immunreaktionen und Abstoßung. Die DALK-Methode (lamelläre Keratoplastik, manuelle Schichtpräparation) wird bevorzugt bei Atopikern mit hohem Abstoßungsrisiko zur Erhaltng des eigenen Endothels angewendet, welche aufgrund hoher Zusatzkosten keine OP unter Zuhilfenahme des Femtosekundenlasers (aktuell bevorzugte Technik der Wahl) zur exakten Schichtpräparation wünschen. Bei der manuellen Präparation liegt die Perforationsrate mit 50 % eher hoch und der Eingriff muss nach Bruch des Endothels und der Descemetschen Membran dann als perforierende Keratoplastik PRK zu Ende geführt werden. Das Implantieren des Krumeiche-Ringes zur Vermeidung hoher postoperativer Astigmatismen hat sich noch nicht durchgesetzt und sollte mittels einer Studie hinsichtlich klinischer Relevanz untersucht werden. Die vorherige Vernetzung einer zu transplantierenden Hornhaut erscheint eine interessante Option ohne erkennbares Zusatzrisiko zu sein, wobei eine gezielte periphere Vernetzung die Limbus-Stammzellen gefährden könnte.

Alles in allem bleiben bei Diagnose und Therapiemöglichkeiten ektatischer Hornhauterkrankungen wichtige komplexe Fragen unbeantwortet, es existieren viele Meinungen und eher wenig Wissen. Um dieses zum Wohle der Betroffenen zu mehren, sind in Medizinforschung und klinischer Praxis konzentrierte und konzertierte Anstrengungen erforderlich, da auch die Verbreitung dieser Erkrankungen inzwischen auf.