Zum dritten Mal in Folge präsentierte die VDC ihre Frühjahrstagung „Optometrie 08” in den Räumen der Fachakademie in München. Die größtenteils parallel laufenden Vorträge sowie die Workshops am Sonntagnachmittag waren mit insgesamt knapp 160 Tagungsteilnehmern den räumlichen Kapazitäten entsprechend gut besucht. Mit den beiden Tagungsschwerpunkten Kontaktlinse und Optometrie orientiert sich die VDC an der vor knapp 10 Jahren eingeleiteten Entwicklung des Gesundheitshandwerks Augenoptik im deutschsprachigen Raum am Berufsbild in Großbritannien und Nordamerika.
Auf Grund der überwiegend zeitgleich präsentierten Referate ist es einem einzelnen Berichterstatter unmöglich, das gesamte Tagungsangebot komplett wahrzunehmen und darüber lückenlos der zu berichten.

Optometrie

RTA – eine neue Möglichkeit des Fundusscreenings Im Eröffnungsvortrag von Matthias Cleffmann (Gerätevorstellung) und Stefan Lahme (Erfahrungsbericht über die praktische Anwendung und Aufzeigen von Marketingaspekten) wurde mit dem Gerät RTA 3 der Firma Talia Technologies aus Israel ein hochmodernes Instrumentarium für jene Augenoptiker und Optometristen präsentiert, welche die Netzhautfotografie, RNFL-Analyse, Papillenanalyse und Screening der Netzhautdicke gleichzeitig mit einem Gerät verwirklichen möchten. Zwar reicht die Qualität der Fundusbetrachtung nicht an die Qualität einer Funduskamera heran, dafür liefert die Auswertung der Messung als Zusatznutzen die Angabe der Netzhautdicke sowie eine mittels entsprechender Software ausgewertete Gefäßanalyse der Papille sowohl zur Früherkennung von pathologischen Befunden als auch zur Kontrolle von Augenhintergrunderkrankungen wie Glaukom, Diabetische Rethinopathie und altersbedingter Makuladegeneration AMD.
Für die auf optometrische Dienstleistungen ausgerichtete Praxis ergeben sich bei beim Angebot einer derart differenzierten Screeningmaßnahme einschneidende Konsequenzen hinsichtlich terminlicher Organisation (Messdauer zwischen 5 und 15 Minuten, je nach individueller Pupillengrösse. Problem bei höheren Myopien: Der Autofokus kann die Netzhautebene nicht optimal scharf stellen. Abhilfe schafft eine vor der Messung aufgesetzte die Myopie korrigierende oder zumindest deutlich reduzierende Tageskontaktlinse ). Die Kosten für eine solche Zusatzdienstleistung im Bereich von 60 bis 80 Euro fanden eine überraschend gute Akzeptanz.

Was kostet eine optometrische Dienstleistung?

In seinem Referat ging Dr. Stefan Degle gezielt auf die Tatsache ein, wie eine optometrische Dienstleistung zu kalkulieren und letztendlich zu bewerten ist, um profitabel und damit auch dauerhaft professionell angeboten werden zu können. Augenblicklicher Standard der durchschnittlichen Gesamtgewinneinplanung in der deutschen Augenoptik ist etwa 8 % des Umsatzes. Als ausgewiesener Experte aufgrund seiner zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträge zu betriebswirtschaftlichen Vorgängen wie auch den komplexen Zusammenhängen der zunächst kostendeckenden und in letzter Konsequenz Profit erwirtschaftenden Kalkulation bekannt, stellte er ein auf Excelbasis funktionierendes Berechnungsmodell zur realistischen Kostenkalkulation einer Stunde hochqualifizierter optometrischer Dienstleistung vor. Es werden dafür, entsprechend der Betriebsstruktur variierend, die einzelnen betriebliche Kosten induzierenden Basisgrößen (wie u.a. Kostenstellen für unterschiedlich qualifiziertes Personal, dessen Arbeitszeit, Auslastung, technische betriebliche Ausstattung, Raumkosten, Werbung, Verwaltung etc.) unter Berücksichtigung der Gewinnerwartung und eines gewissen Risikoaufschlages eingefügt und damit ein resultierender Deckungsbeitrag errechnet. Auf die tägliche Praxis bezogen ergeben sich darauf basierende Honorarforderungen an den eine volle Dienstleistungsstunde in Anspruch nehmenden Kunden, welche einen Betrag im Bereich von 85 bis 100 Euro auf keinen Fall unterschreiten sollten. Es besteht demzufolge intensiver Erklärungsbedarf in Gestalt eines genauen Kostenplanes im Vorfeld, um damit ein entsprechend adäquates Bewusstsein für die zu erbringende professionelle Dienstleistung zu induzieren.

Wie entdecke ich den Glaukom-Patienten?

Fritz Fischl lieferte mit seinem Referat ein umfangreiches Up-Date zum wichtigen Glaukomscreening. Glaukom zählt neben der altersbedingten Makula-Degeneration AMD und der diabetischen Retinopathie aktuell zu den drei häufigsten Erblindungsursachen in Deutschland, wobei jeder zweite Betroffene im Anfangsstadium noch nichts von seiner Erkrankung weiß. Die Häufigkeit ist mit steigendem Alter zunehmend. Im Laufe der letzten Jahre wurde die Glaukomdefinition neu gestaltet: Galt früher lange Zeit noch der erhöhte Augeninnendruck (AID) als Hauptursache und stand entsprechend im Fokus des Screenings und der Behandlung, wird Glaukom aktuell als eine heterogene Gruppe von Erkrankungen angesehen, welche zu fortschreitender Schädigung des Sehnervs mit der Folge des Verlustes visueller Funktionen führt. Aktuell findet diejenige Betrachtungsweise die breiteste Akzeptanz, welche davon ausgeht, dass erst eine Kombination aus mechanischen (lokale Quetschung des Sehnervs) und vaskulären Komponenten (verminderte lokale Durchblutung) die Erkrankung auslöst. Entsprechend verlagern sich die Schwerpunkte der wichtigsten Screeningmaßnahmen zur rechtzeitigen Früherkennung; neben der klassischen Druckmessung (Tonometrie führt zu einer Erkennungswahrscheinlichkeit von 65%) erhöht begleitende angewandte Fundusbetrachtung mittels Ophtalmoskopie die Quote der Diagnosesicherheit auf 80 % und zusätzlich angewandte Gesichtsfeldmessung (Perimetrie) steigert die Sicherheit der Erkennung nochmals auf 90 %.

Erfolgreiches Glaukomscreening erfordert detaillierte Kenntnisse hinsichtlich der entsprechend typischen Krankheitsverläufe und deren unterschiedlichen pathologischen Ursachen. Primäre Glaukomarten wie Offenwinkelglaukom (50-80 % Verbreitung) und Winkelblockglaukom (etwa 5 % Verbreitung) werden nicht durch andere Erkrankungen ausgelöst , während man unter dem Begriff sekundäre Glaukomarten (5% Verbreitung) diejenigen zusammenfasst, welche erst durch eine andere, begleitende Erkrankung ausgelöst werden wie das Neovaskularisationsglaukom (Gefäßneubildungen im Kammerwinkel- bereich), das Pseudoexfoliationsglaukom (Ablagerungen von grauweißem, flockenartigem Material induzieren Abflussstörung), das Pigmentglaukom (abgeschilferte Pigmente aus den Zonulafasern verstopfen den Kammerwinkel, sichtbar als Krukenberg-Spindel) oder das kongenitale Glaukom.

Eine okuläre Hypertension wird als Vorstufe zu einer Erkrankung (2-13 % Verbreitung) mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit für eine tatsächliche Erkrankung nach 5 Jahren von knapp 10 % angesehen. Als der „normale“ AID wird derjenige Druck bezeichnet, welcher langfristig keine Sehnervschädigung hervorruft. Er unterliegt diversen physiologischen Schwankungen wie der Tageszeit, der zentralen Dicke der Cornea. Bei einer Corneadicke < 650 Mikrometer wird das Ergebnis fallweise überschätzt, bei einer Dicke > 450 Mikrometer entsprechend unterschätzt: Pro 25 Mikrometer Dickenunterschied ergibt sich eine Druckabweichung von 1 mmHg. Auch die Position des Prüflings (sitzend oder liegend) bei der Messung spielt eine Rolle.

Als die bekanntesten und wichtigsten Risikofaktoren für ein Offenwinkelglaukom werden neben dem erhöhten AID das zunehmende Lebensalter, eine zentral eher dünne Cornea, genetische Disposition, Myopie (2 bis 3-fach erhöhtes Risiko), kardio-vaskuläre Risikofaktoren sowie eine afro-amerikanische Herkunft angegeben. Beim Winkelblock-glaukom gelten dagegen Frauen (3-fach erhöhtes Risiko gegenüber Männern), Menschen mit Hyperopie sowie eine asiatische Herkunft als die Risikogruppen.

Die routinemäßig zu beobachtenden Bereiche des Auges zur wirksamen Glaukomfrüher-kennung umfassen neben den Messungen des AID in direktem Bezug zur zentralen HH-Dicke sowie des Gesichtfeldes demzufolge Beobachtungen der Hornhaut, des vorderen äußeren Augenkammer und vor allem der Papille mit Hilfe der 90-Dioptrien-Lupe und dem Spaltlampenmikroskop oder entsprechenden Mess- und Analysegeräten der modernsten Generation. Besonders hierbei sollte der erfahrene und sorgfältige Praktiker aus der Interpretation der CD-Ratio, Beobachtung der Tiefe der Exkavation, Größe und Form der Papille, Position der Gefäße sowie des Papillenrandsaumes oder der parapapillären Nervenfaserschicht und deren Beurteilung die entsprechenden Schlüsse ziehen können. Bei Vorhandensein von auffälligen Abweichungen und anderen Risikofaktoren wird selbstverständlich die unbedingte und sofortige Überweisung zu einem Augenarzt die logische Folge sein.

Essenzielle Voraussetzungen für ein wirksames und professionelles Glaukomscreening sind neben der Kompetenz des Optometristen die instrumentelle Infrastruktur und eine systematische Dokumentation. Daneben sorgt aber auch die Existenz einer interdisziplinär fruchtbaren und kooperativen Infrastruktur mit der Berufsgruppe der Augenärzte letztendlich für die erforderliche Sicherheit des Kundenklientels bei der Glaukom-Früherkennung.

Jerome Sherman, Professor an der State University, College of Optometry in New York, ausgewiesener international renommierter Retina-Experte, vertiefte sehr ausführlich die Fundusbeobachtung und deren Analyse und unterstrich damit ihre herausragende Bedeutung bei der täglichen Arbeit durch den Optometristen. Angesichts der inhaltlichen Ausführlichkeit seiner Referate bezüglich der angewandten diversen Untersuchungstechnologien, Diagnostik und der sich daraus ergebenden pathologischen Befunde sowie der abgeleiteten Behandlungsmethodik (bei amerikanischen Optometristen zur Alltagspraxis gehörend) offenbaren sich die augenblicklich noch deutlich spürbaren Unterschiede der nach wie vor noch sehr reglementiert praktizierten Optometrie im deutschsprachigen Mitteleuropa. Sie befindet sich nach wie vor noch im Stadium einer zarten, aber doch sanft dynamisch ablaufenden Entwicklung.

Praktizierte Optometrie in Großbritannien und Nordamerika dagegen steht lange schon für eine emanzipiert existierende, traditionell eigenständige und entsprechend akzeptierte Berufsdisziplin unmittelbar neben der klassischen Ophtalmologie. In zwei sehr ausführlichen Vorträgen referierte Prof. Sherman zum Thema: „Visuelle Beeinträchtigungen und pathologisch bedingten Defekte retinaler Funktionen, welche nicht durch okuläre Hypertension, Glaukom oder diabetischen Retinopathie verursacht werden”.

Er lieferte ein generelles Up-Date zur Retina in der Theorie sowie zur Veranschaulichung die entsprechenden Praxisfälle. Die angesprochenen Fortschritte interdisziplinärer Kooperation von Optometrist mit dem Ophtalmologen erfordern neben einer entsprechenden fachlichen Akzeptanz seitens der Augenärzteschaft auch geeignete Medien als Basis für eine fachlich fundierte und professionelle Kommunikation.

Zeitgemäße Befunddarstellung und Kommunikation bei Überweisungen aus der Optometriepraxis.

Stefan Schwarz, Betreiber einer eigenen Optometriepraxis in Hildesheim, hob die Bedeutung der Befunddarstellung und Kommunikation hervor. Während international eine in vielen Ländern gültige Definition des Berufsbildes der Optometrie (Festlegung 1993 in Ottawa/Kanada mit den entsprechenden gesetzlichen Regelungen) erfolgte, existiert im Gegensatz dazu aktuell hierzulande noch keine Dokumentationspflicht der Ergebnisse und Messwerte optometrischer Untersuchungen. Die international etablierten und gültigen Bestimmungen zur Dokumentation und Aufzeichnung der Befunde machen eine strukturierte und qualitativ hochwertige optometrische Betreuung erst möglich und sollten mit höchster Dringlichkeit als bindende, gesetzlich manifestierte Vorschrift hierzulande schnellstens eingeführt werden.

Mindestanforderungen diesbezüglich sind beispielsweise

Erhebung des Eingangsstatus, eine chronologische Auswertung und lückenlose Dokumentation des Untersuchungsverlaufes oder stetige Qualitätskontrollen. Auch wenn es banal und selbstverständlich klingt: Vollständigkeit, Übersichtlichkeit, Verständlichkeit, Struktur, Korrektheit, Editierbarkeit, Nachvollziehbarkeit, Integrität und Authentizität sowie Objektivität sind hier obligatorisch.
Als Veranschaulichungsbeispiel dafür dient die umfassende, lückenlose Angabe aller Parameter, welche sich auf den Visus einer Prüfperson beziehen. Neben der monokularen und binokularen Angabe des habituellen Visus ohne und mit Korrektion in Ferne, Zwischen-bereich und Nähe interessieren die Angaben zur Prüfentfernung, Ergebnisse der Prüfung von Hochund Niedrigkontrastsehen, verwendete Sehproben und bei Verwendung von Kontaktlinsen der Tragezeitpunkt.

Bei Klassifizierung von Befunden mittels international üblicher Gradingscales ergeben sich subjektiv bedingt doch sehr unterschiedliche Ergebnisse; im Gegensatz dazu sind bildgebende Verfahren wie Spaltlampenvideoaufnahmen, Fundusaufnahmen oder Topographieauswertungen deutlich objektiver. Die in der Regel mündliche Kommunikation mit der Prüfperson sollte sachlich, ruhig und unaufgeregt, freundlich und wohlwollend, auf den tatsächlichen Fakten basierend erfolgen und die Vorteile der genaueren Abklärung von Auffälligkeiten nach dem Screening durch den Augenarzt erläutern, möglichst ohne dass dabei ein Gefühl von Bedrohung oder Angst aufkommt.

Im interdisziplinären Dialog mit dem Augenarzt im Sinne des Patienten interessieren in erster Linie die tatsächliche Schilderung festgestellter Veränderungen statt Spekulationen, die objektive Beschreibung der Symptome statt Interpretationen sowie die Übermittlung der Messwerte statt voreiliger Diagnosen. Eine der hauptsächlichen Aufgaben des praktizierenden Optometristen besteht doch in der Feststellung, Beschreibung und Kommunikation von okulären Auffälligkeiten.