Michael Wyss, in Bern tätiger Kontaktlinsenanpasser, stellte die Vorteile von quadranten-spezifisch unterschiedlich abflachenden Kontaktlinsengeometrien, auch in Verbindung mit klassisch eher unüblich großen Linsendurchmessern, in den Mittelpunkt seiner Präsentation. Seit Anfang der 90-er Jahr in Mitteleuropa am Markt (Pionier für deren Herstellung: Firma FALCO, Schweiz), inzwischen bereits in der 2. Generation auch durch weitere Hersteller weiterentwickelt, ermöglicht diese kontaktoptische Versorgungsoption aufgrund frei wählbarer Kontaktlinsen-Innenflächen mit individuell unterschiedlichen Abflachungen in den 4 Quadranten eine auflageschonende apikale Entlastung gegenüber rotationssymmetrischen Linsenversorgungen. Erst individuell abgestimmte und hinsichtlich sämtlicher peripherer Abflachungsparameter frei wählbare Linsendesigns in Kombination mit entsprechenden Materialen bei extrem hohen DK-Werten ermöglichen das Verwenden deutlich größerer Lin-sendurchmesser; es besteht damit die Absicht, dass die Linsenperipherie aufgrund der entsprechenden Gestaltung im peripheren cornealen Auflagebereich gewissermaßen einrastet. Aber auch Linsendurchmesser von 12-16 Millimeter (Minisklerallinsen) sowie sklerale Linsen im Bereich von 16-25 Millimeter Durchmesser werden mittlerweile alternativ verwendet. Als gravierender Nachteil für den Anpasser sind hier fehlende topographische Daten der Cornea aufgrund der eher kleinen Messbereiche bei den aktuell zur Verfügung stehenden Keratographengenerationen anzusehen. Die Parameterermittlung für solche Linsentypen erfolgt dem zufolge ausschließlich aufgrund empirischer Erfahrungswerte sowie der Interpretation von Fluoresceinbildern bei aufgesetzten Anpasslinsen mit den entsprechend groß gewählten Linsendurchmessern.
Michael Ward, in den USA bekannter Forscher im Bereich der Augenmedizin aus Atlanta, referierte ausführlich zum in den USA im Vergleich zu Mitteleuropa deutlich stärker verbreiteten Thema der Huckepacksysteme (Piggyback Lens System) unter dem Blickwinkel einer apikal besonders schonenden kontaktoptischen Versorgung von Keratokonus. Historisch schon sehr lange ebenfalls als eine der letzten Versorgungsoptionen vor einer drohenden Transplantation angewendet, kann die traditionell damit einhergehende Gefahr einer Hypoxie aufgrund der Verwendung von Weichlinsen aus Silikon-Hydrogelen inzwischen deutlich reduziert werden.
Als primäre Vorteile bei der Anwendung werden das Verhindern von externer Fremdkörpereinwirkung zwischen Linseninnenfläche und Corneavorderfläche, ein minimiertes Risiko der apikalen Narbenbildung aufgrund deutlicher Einschränkung der dortigen mechanischen Einwirkung durch einen beweglichen stabilen Linsenkörper sowie eine motivierende Unterstützung von Linseneinsteigern angesehen, denen der anfänglich irritierende Diskomfort einzugewöhnender formstabiler Kontaktlinsen eine nicht oder kaum zu überwindende Hürde erscheint. Fallweise dient der zwischenzeitliche Einsatz einer weichen Trägerlinse als ein Mittel der Wahl zur Reduzierung höherer 3/9-Uhr-Stippungs-intensitäten oder limbal zu intensiver Injektionsgrade. Deutlicher Nachteil stellt dagegen das ausgesprochen aufwändige Handling und das komplexe Hygienemanagement mit der obligatorischen Verwendung von zwei verschiedenen Pflegesystemen dar (Ausnahme: Die weichen hydrophilen Trägerlinsen sind Tageslinsen). Zur Nachbenetzung sollten stets konservierungsstofffreie Präparate bevorzugt werden. Prinzipiell empfiehlt sich die Verwendung einer schwächeren Pluslinse als hydrophile Trägerlinse, deren Wert dann höher zu wählen ist, wenn sich die darauf gesetzte formstabile Kontaktlinse vertikal noch zu stark bewegt.
Ein kompletter Nachmittag war dafür reserviert, anhand zahlreicher Präsentationen von praktischen Fallbeispielen und deren Versorgung mit den unterschiedlichsten kontaktoptischen Optionen das breite Spektrum der visuellen Rehabilitation von an Keratokonus erkrankten Patienten in den unterschiedlichsten Stadien ausgiebig sowohl unter den Referenten als auch unter Einbeziehung des Publikums teilweise sehr kontrovers zu diskutieren und zu hinterfragen.
Unter dem Begriff Keratokonus forme fruste versteht man eine moderate, meist nicht progressive Form des Keratokonus bei relativ normalen cornealen Dickenverhältnissen, welche weder mit der Spaltlampe noch mit der Keratometrie oder Topographie diagnostizierbar ist, weil hierbei die Irregularitäten an der Innenseite der Cornea auftreten. Da hier das Kammerwasser der vorderen äußeren Augenkammer angrenzt, spürt der Patient meist keine oder nur sehr geringe visuelle Auswirkungen; eine Veranlagung zur Erkrankung ist damit aber vorhanden. Die möglichst frühzeitige Erkennung der Erkrankung bei noch eher schwacher Ausprägung erfordert entsprechend ausreichende Erfahrung sowie eine stets sorgfältige, sensible sowie regelmäßige Betrachtung des Klientels mit geschultem, stets aufmerksam fokussiertem Beobachterblick. Erste klinische Indizien sind neben topographischen Unregelmäßigkeiten die Beobachtung von vertikalen Striae oder Ansätze eines Fleischerschen Ringes sowie die Veränderung der Auflage einer formstabilen rotationssymmetrischen Kontaktlinse von ehemals Gleichlaufanpassung in Richtung Drei-Punkt-Auflage.
Erwartungsgemäß ergeben sich hinsichtlich einer idealen Kontaktlinsenauflage über einer aufgrund Keratokonus zunehmend irregulär gestalteten Hornhauttopographie teilweise sehr große Meinungsunterschiede unter den Experten auf dem Podium und im Auditorium. Nicht zuletzt auch das Angebot an Geometrien und Innenflächendesigns der in den einzelnen Märkten agierenden Kontaktlinsenhersteller ist hier mit entscheidend. Erst in jüngster Zeit stehen in den USA auch dort produzierte, von der Rotationssymmetrie abweichende, individuell zu definierende Geometrien (sog. Quadro-Zone- Geometrien) zur Verfügung, welche in Mitteleuropa prinzipiell lange schon selbstverständlich und alltäglich sind. So arbeitet man sich hier offensichtlich erst relativ kurzfristig mit den erweiterten Möglichkeiten solcher Optionen für differenziertere Innenflächendesigns an ein mögliches Ideal für die jeweils individuelle Kontaktlinsenauflage im Einzelfall heran. Besonders bei beträchtlicheren Wölbungsdifferenzen der jeweiligen Corneahälften für ausgeprägte Stadien des Keratokonus (oben sehr flach, unten dagegen vergleichsweise steil) kann die apikale Auflage durch eine ausgeprägtere, quadrantenweise gezielt konturierte Landingzone oben und horizontal in Gestalt eines moderaten Touchings (Berührens) mit einer hauchzarten Tränenschichtdicke von 5-10 Mikrometer inzwischen progressiv verbessert werden. Wobei die Intensität einer apikalen Berührung erfahrungsgemäß meist als die entscheidende Größe hinsichtlich Visus und maximal möglicher Sehleistung anzusehen ist. Nicht immer ist aufgrund einer apikalen Entlastung mittels peripherer Anhebung der Linsengesamtauflage (gleichbedeutend: Erhöhung der Tränenschichtdicke über dem Apex mit der Absicht der Reduzierung der mechanischen Belastung) visuell das gleiche Resultat zu erzielen wie mit satterer, druckvollerer apikaler Auflage der Linseninnenfläche.
Frank Widmer, Dipl. Ing. (FH) Augenoptik, lange Jahre tätig in der Entwicklung und Anpassberatung bei der Firma Hecht in Freiburg, erläuterte anhand eines Fallbeispiels aus der Praxis das Thema dieser in Deutschland und Mitteleuropa lange schon üblichen Quadrantenlinsen. Sie sind bei ovaler Keratokonusform nicht immer angebracht; entscheidendes Kriterium für die Anpassung sind Kenntnisse sowie die genaue Analyse des peripheren Astigmatismus der Corneavorderfläche.
Für die Herstellung der quadrantenweise differenzierten Innenfläche unverzichtbar ist eine Darstellung der sagitalen Höhen, wobei die höchste Stelle der Topographie nicht stets mit dem Apex in Übereinstimmung abzuleiten ist. Aus langjährigen Erfahrungen stellt er die durchaus berechtigte und generell nicht eindeutig zu beantwortende Frage: Ist konturierte Alignementauflage, perfektioniert in allen vier Quadranten, stets das anzustrebende Non-Plus-Ultra? Zumindest im unteren Quadranten wird eine nicht zu enge Linsenauflage empfohlen, nicht zuletzt auch unter dem Aspekt der Vermeidung einer zu wuchtigen und damit trägerseits deutlich mühsamer zu akzeptierenden Linsenstruktur.
Paul Rose, Erfinder der weltweit für die Keratokonusversorgung bekannten Linsengeometrie Rose-K aus Neuseeland, rückt das hilfreiche und in der täglichen Praxis nicht mehr weg zu denkende Instrument der Hornhauttopographie aus seiner Sicht ins rechte Licht. Aufgrund der Tatsache, dass besonders bei höheren Scheiteltiefendifferenzen ausgeprägterer Keratoko- nuskonstellationen die Ergebnisse des berechneten Cornealmapings meist irreführend sein können, bevorzugt er prinzipiell nach wie vor die klassische, nach empirischen Erfahrungen geprägte Vorgehensweise: Aufsetzen einer ersten Anpasskontaktlinse und deren anschliessen-de Interpretation mittels Fluoresceinbetrachtung. Moderne bi-asphärische Linsengestaltungen helfen, Abbildungsfehler höherer Ordnungen zu reduzieren, wobei zu deren trägerseits spürbaren Wirksamkeit eine optimale Zentrierung anzustreben ist, um wiederum induzierten sehleistungsmindernden Auswirkungen des Abbildungsfehlers eines Astigmatismus schiefer Bündel wirksam entgegen zu wirken.
Sigrid Neumann, Dipl. Ing. FH Augenoptik und Inhaberin eines Kontaktlinseninstitus in Heidelberg, berichtet von in ihrer Anpasspraxis zunehmend praktizierten Versorgungs-optionen ihres Patientenklientels bei Keratokonus mithilfe innentorischer Linsendesigns.
Die statistische Auswertung ihrer Kundenkartei ergibt eine Verteilung von knapp 60 % rotations-symmetrische Linsendesigns gegenüber gut 40 % torische Linsengeometrien. Der bevorzugte Rückgriff auf individuell deutlich differenzierter zu gestaltende innentorische Rückflächen erfolgt zugunsten einer insgesamt hornhautschonenderen Gesamtauflage sowie sich fallweise ergebender verbesserter Sehleistungen, bitorisch gestaltete Linsen helfen deutlich materialintensivere fronttorische Linsen mit Prismenballast zu vermeiden.