Myopie-Symposium

Aktueller Stand der Myopie-Forschung
Im Rahmen des Myopie-Symposiums erläuterte Prof. Bernard Gilmartin, Aston Universität Birmingham (GB), den aktuellen Stand der Myopieforschung. Beim noch jungen, im Wachstum begriffenen Auge wird die Augenlinse dünner und das Auge verändert seinen refraktiven Zustand von emmetrop in Richtung myop. In der weiteren Entwicklungsphase des jüngeren Erwachsenen, wenn das Wachstum weitgehend aufgehört hat, basiert eine zusätzliche Myopiezunahme auf komplexen Interaktionen von genetisch bedingten Veranlagungen zur Myopie und der sensiblen Empfänglichkeit auf eine Myopie fördernde externe Einflüsse aus der Umwelt. Forschungen der Vergangenheit versuchen zu beweisen, dass intensive Naharbeit und Myopie in direktem Zusammenhang zu sehen sind. Daneben ist aber der genetische Faktor beim Menschen zumindest teilweise bei der Entwicklung der Myopie einflussnehmend. Tierversuche zeigen entsprechende Längenveränderungen des Auges bei kontinuierlicher Vorgabe von Plus- oder Minuskorrektionen. Komplexe Messungen und Beobachtungen zeigen aber auch, dass nicht nur Einflüsse auf die zentrale retinale Bildqualität Impulse zu Veränderungen induzieren. Auch die Vorgänge im peripheren Netzhautbereich spielen offensichtlich eine entscheidende Rolle beim okulären axialen Wachstum und der individuellen Myopieentwicklung. Sklerale Dehnungen ergeben sich dann, wenn bei unscharfen Netzhautwahrnehmungen außerhalb des achsialen Bereiches sowohl retinal als auch choroidal bestimmte chemische Signale ausgelöst werden. Die Wellenfrontaberrometrie bringt neue Erkenntnisse hinsichtlich der Veränderung von Abbildungsfehleren höherer Ordnungen bei stattfindender Akkommodation und damit ein besseres Verständnis für die komplexen Zusammenhänge zwischen Abberation, Akkommodation und Längenwachstum. Modernere rechnergesteuerte Messtechniken und -verfahren (Teilkohärenzinterferometrie) ergeben bessere Erkenntnisse als die klassische Ultraschallmessung, dreidimensionale Darstellungen von Augenform und -volumen liefert die Magnetresonanztomographie. Man gewinnt beispielsweise heute die Erkenntnis, dass sich das mit -4,0 dpt myope Auge eines Europäers retinal deutlich vom mit -4,0 dpt myopen Auge eines Asiaten unterscheidet.

Verbreitung der Myopie

Dr. Nicole Logan, ebenfalls von der Aston Universität, Birmingham, schloss dar an mit Beobachtungen zur Verbreitung der Myopie in der Weltbevölkerung an. In Europa und den USA sind etwa 25 bis 35% der jungen Erwachsenen myop, während in Ostasien (China, Japan, Taiwan, Hong-Kong, Singapur) die Quote bei über 70% deutlich höher liegt. Interessant sind auch jüngste Beobachtungen in arktischen Bereichen. Es ergibt sich aktuell für die 10 bis 19 Jahre alten Heranwachsenden in Alaska eine Myopieverbreitungsquote von erstaunlichen 53%, während in der Elterngeneration die Quote bei gerade 2% liegt. Generell ergeben sich deutliche Unterschiede der Verbreitung nach Rasse, Geschlecht, Alter und Hautfarbe. Höhere Myopien basieren auf alle Fälle auf einer genetischen Veranlagung; Myopieentwicklung wird offensichtlich gefördert in Gesellschaftsbereichen mit höheren Bildungsniveaus (Quote bei taiwanesischen Studenten: 92%) sowie sozio-ökonomischen Faktoren wie durch Urbanisation. Nachtlicht während der Schlafphase bei Kindern unter 2 Jahre ergibt statistisch ein leicht höheres Risiko für spätere Myopie, was die Forschung aber bisher noch nicht wissenschaftlich fundiert bestätigen kann.

Myopiekontrolle mit Ortho-K

Dr. Pauline Cho aus Hong-Kong von der dortigen polytechnischen Universität, präsentierte Ergebnisse zur Myopiekontrolle bei Kindern mithilfe der Orthokeratologie. Seit 2 Jahren wirkt sie an der LORIC-Studie mit (Longitudinal Orthokertaology Research in Children); Ziel dieser Studie soll sein, Erkenntnisse über eine wirksame Myopiekontrolle zu gewinnen und darüber hinaus andere okkuläre wachstumsbedingte Veränderungen besser einschätzen zu können. Orthokeratologie bei Kindern stößt in Hong- Kong auf eine breite Akzeptanz, 80% aller Ortho-K-Träger dort sind Kinder. Die Studie startete mit insgesamt 70 myopen Kindern (-0,25 bis -4,5 dpt) im Alter von 7 bis 12 Jahren; 35 Kindern wurden Ortho-K-Linsen (Vorraussetzung: keine okulären Erkrankungen) angepasst, der Rest trug weiterhin die Fernbrille. Anlässlich der regelmäßigen Kontrollen (nach 6, 12, 18 und 24 Monaten) wurden der Visus, das Kontrastsehen, der Augeninnendruck und bei den linsentragenden Kindern selbstverständlich die Linsen sowie die Unbedenklichkeit der weiteren Verwendung überprüft. Bei der Gruppe der Linsenträger kam es aus verschiedenen Gründen zu einer Verringerung um 8 Teilnehmer (Drop-Out-Quote etwa 20%). Nach Ablauf der 24 Monate ergab ein Vergleich der Messungen des Längenwachstums der Augen zu Studienbeginn und am Ende bei den linsentragenden Kindern eine mittlere Zunahme von 0,29 mm, bei der brillentragenden Referenzgruppe eine Zunahme um knapp das Doppelte von 0,54 mm. Aus diesen Erkenntnissen können allerdings noch keine gesicherten Aussagen hinsichtlich der tatsächlichen axialen Länge linsentragender Augen abgeleitet werden, sollte tatsächlich irgendwann einmal eine Phase der Linsenkarenz eintreten.

Forum Silikon-Hydrogele

 

Material der Zukunft
Seiner Lieblingsthematik, dem Bereich der Silikon-Hydrogele als dem Linsenmaterial der Zukunft, wurde Prof. Brian Holden aus Sydney, Australien, auch bei der BCLAConference entsprechender Raum gegeben. Seine Botschaft: DK/t is out, let us talk about DK! Ein neuer Begriff steht in diesem Zusammenhang im Raum: „Flux Sucks“, was wörtlich mit „Fließen und Saugen“ zu übersetzen wäre. Der Fluss oder Transport von Sauerstoff durch eine aufgesetzte Kontaktlinse ist keine reale, sondern eine virtuelle, nicht messbare Tatsache und nicht als Wertangabe projizierbar. Dass Sauerstoff tatsächlich durch das Kontaktlinsenmaterial an die Cornea gelangt, basiert auf einer Serie von Annahmen. Die Fließrate ist einerseits nur eine Kalkulationsgröße, andererseits aber ein eindeutiges Indiz für eine gesunde Cornea. Die tatsächliche Menge transportierten Sauerstoffs variiert kontinuierlich: auf Grund ihrer Beweglichkeit in Verbindung mit dem augenblicklich real gültigen DK/t-Wert kann die Linsenmembran hinsichtlich ihrer Dicke nie konstant gleiche Verhältnisse bieten und ist dadurch am Auge ständigen Schwankungen ausgesetzt. Wie viel Sauerstoff das Auge tatsächlich braucht, um gesund zu bleiben, wissen wir nicht. Unwiderlegbare Tatsache aber ist, dass zwischen einer limbalen Hyperämie unter einer aufgesetzten weichen Kontaktlinse und einer reduzierten Sauerstofftransmissibilität in der Linsenperipherie ein direkter, nicht trennbarer Zusammenhang besteht.

Prof. Lyndon Jones nahm unmittelbar daran anschließend in seinem zweiten Referat den Faden von Brian Holden auf und gab weiterführende Überlegungen zu Oberflächen der Silikon-Hydrogele zum Besten. Bei Verwendung von SiH-Materialien ist die corneale Schwellung vergleichbar mit der Rate ganz ohne Linseneinfluss. Weitere erwiesene Vorteile der SiH-Materialien zur Senkung der Belastung bei Linsenverwendung: reduzierte limbale Rötung, eine deutlich geringere Vascularisationsrate sowie eine geringere Neigung zur Ausbildung von Microzysten in der Cornea. Die ideale Blinkfrequenz des Menschen beträgt 11.000 Lidschläge pro Tag, wobei die Qualität dieser Bewegung auch nie konstant ideal erfolgt. Dadurch wird die Linsenoberfläche auf die Dauer hydrophob, es lagern sich schneller Partikel an der Oberfläche ab und die Tragebedingungen verschlechtern sich. Inzwischen stehen drei Materialtypen in der Gruppe der Silikon-Hydrogele mit unterschiedlichen Kontaktwinkeln; daraus resultieren deutliche Differenzen bei der Benetzbarkeit unmittelbar nach der Blisteröffnung. Bei höherem Kontaktwinkel verbessert sich die Benetzbarkeit des Linsenmaterials erst bei etwas längerer Verweildauer am Auge, während ein kleiner Kontaktwinkel spontan eine gute Benetzbarkeit des Materials garantiert, welche während der Verweildauer am Auge später abnimmt. Lysozymeinlagerungen an SiH-Materialoberflächen beobachtet man eher wenig; die Rate der denaturierenden eingelagerten Proteine liegt auf Grund der zunehmend hydrophob werdenden deutlich höher als bei klassischen Hydrogelen. Die konfokale Mikroskopie gibt Aufschluss darüber, wo genau diese Proteine Teil des Linsenmaterials werden: bei den klassischen Hydrogelen dringen sie in die Linsenmatrix ein und die Oberflächen bleiben weitgehend frei. Bei der Focus Night & Day beispielsweise findet man direkt an der Vorderfläche wenig Proteinanlagerungen, sie siedeln sich mehr an der Hinterfläche an, bei der Acuvue Advance wiederum ist die überwiegende Konzentration der Proteinablagerungen im Materialinnern in der Nähe der Oberflächen zu lokalisieren.

Optometry Giving Sight

Während des traditionellen Gala-Dinners am Samstagabend wurde ein beachtlicher Geldbetrag für die Wohltätigkeitsorganisation Optometry Giving Sight (OGS) gesammelt. Als ihr engagiert auftretender Vorsitzender stellte Brian Holden die Arbeit von OGS vor und rief zu Spenden zur Unterstützung des Projektes Vision 2020 auf. Es handelt sich um eine weltweite Aktion zur Bekämpfung von Blindheit (www.givingsight. org), vorwiegend in den armen Ländern der dritten Welt.

DOZ 11-2005