Mit einem komplett geänderten Tagungskonzept lud die VDC zur diesjährigen Frühjahrstagung vom 1. bis 2. April 2006 in die Räume der Fachakademie Augenoptik in München. Hauptsächliche Zielgruppe für das Fortbildungsangebot der sich hierzulande augenblicklich noch sehr zart und langsam etablierenden Optometrie sind Studenten und Absolventen der erstmals 1996 in Deutschland angebotenen Masterkurse des Pennsylvania College of Optometrie (PCO). Bis auf eine heimische Ausnahme wurden alle Fachvorträge und die thematisch ergänzenden Workshops von Dozenten des PCO in Philadelphia (G. Richard Bennett und Leonard V. Messner) und des New England College of Optometry NCO in Boston (Bina Patel) präsentiert. Hinsichtlich Inhalt und Umfang glichen diese Vorträge eher Vorlesungen und vertieften sehr viel komplexer und differenzierter die jeweilige Thematik als dies in üblicherweise deutlich kürzeren Tagungsbeiträgen möglich ist. Kontaktlinsenspezifische Vorträge waren nicht direkt im Angebot, lediglich der Beitrag zur Differenzierung von Bindehautentzündungen schlug die Brücke zum Praxisalltag eines heutzutage im deutschsprachigen Mitteleuropa agierenden Kontaktlinsenpraktikers.

Berufliche Perspektiven

Die beiden Studiengangleiter der TFH Berlin (Prof. Moest) und der FH Aalen (Prof. Kümmel) informierten in Kurzpräsentationen zu den jeweiligen Masterkursen an ihren Hochschulen. Die TFH in Berlin kooperiert dabei sehr eng mit dem PCO in Philadelphia, während der in Aalen durchgeführte Masterkurs von Dozenten des NCO in Boston bestritten wird.
Einem Zuhörer, der bisher mit der Optometrie nur sehr gering oder überhaupt nicht vertaut war, wurde mit diesem Tagungsangebot und seinem entsprechend spezialisierten Auditorium (etwa 130 Teilnehmer, ein großer Anteil davon mit bereits abgeschlossenem Masterstudiengang oder augenblikklich sich mitten in dieser Ausbildung befindlich) sehr deutlich vor Augen geführt, dass die Zukunft mit der Integration der Optometrie zwischen die handwerklich orientierte Augenoptik und die Augenheilkunde bereits begonnen hat. Prinzipiell scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann sie sich in Deutschland als eigenständiger Berufszweig etabliert haben wird. Der stetige und dynamische Prozess des freiwilligen Zusammenwachsens der europäischen Nationen mit der Erkenntnis, dass in diesem vielschichtigen und spannenden Prozess nichts beständiger sein wird als der Wandel, bestärkt die Verantwortlichen in ihren Bemühungen, die federführend in Grossbritannien herrschenden Verhältnisse innerhalb der nächsten Jahre europaweit und damit auch in Deutschland einzuführen und fest zu etablieren. Dass es dabei aktuell noch sehr hoch erscheinende bürokratische, gesetzliche und auch emotionale Hürden zu überwinden gilt, macht die Angelegenheit nicht gerade zum Spaziergang. Neben den hierzulande existierenden Beschränkungen, Grenzen und gesetzlich gültigen Vorschriften bei der Ausübung des Gesundheitshandwerks Augenoptik bestehen aktuell in erster Linie ziemlich massiv und vehement teilweise noch berechtigte Widerstände seitens der Ophtalmologie hinsichtlich einer fachlich genau definierten Abgrenzung der Augenheilkunde von der Optometrie sowie der traditionellen Augenoptik. Damit am Ende mit dem Abschluss einer solch zeitlich und finanziell aufwändigen, fachlich fundierten sowie wissenschaftlich und klinisch orientierten Ausbildung deutlich abgesetzt zur Augenoptik und sehr viel näher zur Augenheilkunde in absehbarer Zeit auch die Möglichkeit der direkten und uneingeschränkten beruflichen Umsetzung hierzulande und nicht nur im Ausland bestehen wird, darum wird in den nächsten Jahren für die optometrischen Streiter noch massiv zu kämpfen sein. Aus diesem Blickwinkel könnten die aktuell in Gang gebrachten Überlegungen und Diskussionen innerhalb des ZVA (vorgestelltes Gutachten des Juristen Prof. Kluth anlässlich der letzten Mitgliederversammlung) zu einer veränderten Ausrichtung des Berufsbildes als zusätzlicher Hoffnungsschimmer angesehen werden.

Vollständige Augenglasbestimmung

Bastian Cagnolati, in England ausgebildeter Optometrist und heute in Duisburg praktizierend, beschrieb im Eröffnungsvortrag sämtliche Tätigkeiten einer vollständigen Augenuntersuchung. Die einzelnen Schritte ergänzte er hierbei mit nützlichen Praxistipps zu deren realen Umsetzung. Nach einem einführenden Gespräch und der erfolgten Anamnese verkörpert dabei nach wie vor die Refraktionsbestimmung einen deutlichen Schwerpunkt; man beginnt mit der monokularen objektiven Messung, welche danach in umfangreichen subjektiven monokular und binokular durchgeführten Messungen ihre Fortsetzung findet. Nach Herausarbeiten der jeweiligen monokularen Refraktionsdefizite (Sphären-, Zylinder- und Achsenangaben) und dem binokularen Abgleich empfiehlt er die Messung von dissoziierter und/oder assoziierter Heterophorie mittels unterschiedlicher Verfahren wie Covertest, Maddox-Zylinder, Graefetest oder Anwendung der Polatestmethode. Speziell zur Messung der Stereopsis liefert der Polatest verlässliche Ergebnisse. Auffällig gewordene Patienten, vor allem Kinder mit behandlungswürdigem Strabismus, werden zur weiteren Behandlung an Ophtalmologen und Orthoptistin überwiesen. Gegebenenfalls definiert man die Akkommodationsbreite mittels Push-Up-Verfahren sowie den altersgemäß und Tätigkeits entsprechend sinnvollen Nahzusatz. Überprüfungen zum Farbensehen und zum Kontrastsehen runden die Erkenntnisse der visuellen Leistungsfähigkeit ab.
Daran schließt sich eine differenzierte und umfassende optometrische Untersuchung des vorderen äußeren Augenabschnitts an. Mittels Spaltlampenmikroskop, Kopflupe oder Handophthalmoskop verschafft man sich einen umfassenden Überblick über den Gesundheitszustand von Cornea, Lidern, Bindehaut und vorderer äußerer Augenkammer. Beobachtet man beispielsweise Zellrückstände in der Vorderkammer, könnte dies Hinweise auf eine mögliche Uveitis (Entzündung der Uvea, d.h., der Chorioidea, des Ziliarkörpers und Irisgewebes) geben. Besondere Sorgfalt gilt der Beobachtung und Klassifizierung des Kammerwinkels (Maßnahmen der Wahl: Schattenmethode oder die van Herick-Methode. Bei Vorhandensein eines engen Winkels ist Vorsicht bei Anwendung von Mydriatica geboten, um nicht einen akuten Glaukomanfall (primäres Winkelblockglaukom) auszulösen.
Im Bereich des hinteren Augenabschnitt erschließt sich die sorgfältige Fundusbeobachtung über die direkte Ophthalmoskopie mittels Handophthalmoskop unter Verabreichung von pupillenöffnenden Mydriatica (hierzulande aktuell deshalb ausschliesslich vom Augenarzt praktiziert). Eine partielle Beobachtung ermöglicht die indirekte Ophthalmoskopie, d.h. frontale Beobachtung mittels Spaltlampenmikroskops bei direkter Beleuchtung (Beleuch-tungsstrahlengang = Beobachtungsstrahlengang) unter Zuhilfenahme einer 90-Dioptrien-Lupe. Man analysiert damit den Bereich der Papille (Beurteilung hinsichtlich Form, Asymmetrien, Farbe, Ränder, Cap-Disc-Ratio, dem Quotienten aus vertikalem Exkavations-durchmesser zu vertikalem Papillendurchmesser), beobachtet die hier verlaufenden Blutgefässe (Venenpulsation, Reflexe) im umgekehrten Bild.
Weitergehende Untersuchungen wie Tonometrie, Perimetrie, Pachymetrie und Keratographie schliessen sich an. Verschiedene Verfahren der Augeninnendruckmessung (Tonometrie) finden Anwendung: die Applanationstonometrie nach Goldmann wird hierzulande aufgrund des obligatorischen Einsatzes von Anästhetika im klinischen Bereich ausschließlich durch den Mediziner angewendet. Als Screeningverfahren sehr sichere Ergebnisse liefern Non-Contact-Tonometer mit Luftimpuls; Menschen ab 40 Jahre sollten regelmäßig gemessen werden, wobei auch ein eher geringer Augeninnendruck klinisch signifikant sein kann. Die Messung des Gesichtsfeldes (Perimetrie) ergänzt die Maßnahmen zum Glaucomscreening, liefert möglicherweise Erkenntnisse bei Verdacht auf neuropathologische Veränderungen oder bei deutlich auffälligem Visusabfall. Die Verfahren der statischen, automatischen Perimetrie messen in der Regel Gesichtsfelder im 30°-Bereich, neuere Geräte liefern aber auch schon Ergebnisse im 60°-Bereich. Für Patienten, welche unter altersbedingter Makuladegeneration (AMD) leiden, ist die tägliche Verwendung eines Amslergitters zur kontinuierlichen, selbständigen Überprüfung des eigenen visuellen Status Quo obligatorisch. Der Hornhautdickenmessung (Pachymetrie) wird beim Glaucomscreening eine nicht unerhebliche Rolle zugerechnet: Der gemessene Augeninnendruck (AID) steht in direktem Zusammenhang zur Hornhautdicke. Sie stellt besonders für die Refraktionschirurgie eine entscheidende Größe dar, präoperativ werden durch ihre reale Dicke die entsprechenden Grenzen festgelegt. Ergänzend dazu wird die Corneatopographie, welche wichtige Erkenntnisse für eine spätere Kontaktlinsenversorgung liefert, insbesondere bei stark torischen oder irregulären Krümmungsverhältnissen, keratographisch erfasst. Eine Reihe von Neuentwicklungen diagnostischer Geräte zur optischen Kohärenztomographie (in vivo Analyse der einzelnen Retinastrukturen, 3-D-Analyse des Sehnervkopfes) oder auch Pentacam (rotierende Scheimpflugkamera zur Erfassung der Cornea Vorderund Rückfläche sowie ihrer Dicke), Non Contact Tonometer kombiniert mit Pachymeter, GDX Nerve Fibre Analyser, Scanning Laser Analyser (Analyse der retinalen Nervenschichten zur Glaukom-Früherkennung), Optomap (ermöglicht Netzhautanalyse ohne vorherige Pupillenerweiterung) wurden vorgestellt.
Als durchschnittliche Dauer für eine Basisuntersuchung werden 30 Minuten, als Gesamtdauer zwischen 25 und 50 Minuten angegeben, die Preise dafür liegen je nach Aufwand im Bereich von 42 bis 90 Euro. Die anschließende Diskussion mit dem Auditorium brachte es nochmals deutlich auf den Punkt: Um eine solche komplette optometrische Funktionsüberprüfung nach international bereits üblichem Standard in Deutschland durchführen zu können, ist eine daran orientierte einheitliche klinische und biomedizinische Ausbildung auf Hochschulebene die unbedingte Voraussetzung zur Erweiterung der Berufsrechte. Nur dann kann es gelingen, sich als Primary Eye Care Provider für sein Klientel mit einem entsprechenden Dienstleistungsangebot wertvoll und unentbehrlich zu machen.

Glaukomvorsorge

R. Bennet, Direktor der Glaukomklinik des PCO und ein Glaukomforscher der allerersten Kategorie, beschäftigte sich ausführlich mit „diagnostischen Entscheidungen bei Glaukomerkennung“. Eine Glaukomerkrankung gehört zur Gruppe von progressiv verlaufenden okulären Erkrankungen, weltweit sind etwa 66,8 Millionen Menschen davon betroffen. Diagnose sowie Differentialdiagnose erfolgt über die Messung des Augeninnendrucks (AID) und der Hornhautdicke, Messung des Blickfeldes, Einschätzung des Kammerwinkels, die Beobachtung des Sehnervenkopfes, Analyse der diversen retinalen Schichten sowie die Auswertung von auftretenden Sehproblemen und anderer optischer Daten. Allgemeine Risikofaktoren sind Alter, Rasse (beispielsweise deutlich verstärktes Glaukomaufkommen bei dunkelhäutiger, farbiger Bevölkerung aufgrund erhöhten AID), familiäre Disposition, systemische Erkrankungen wie Migräne, häufige chronische Kopfschmerzen oder auch Nebenwirkungen beim Gebrauch von Steroiden oder Betablockern. Spezifische okuläre Risikofaktoren bestehen beispielsweise bei Vorhandensein eines erhöhten Augeninnendrucks, bei Myopie, bei geringer zentraler Hornhautdicke nach traumatischen Augenverletzungen, bei retinalen vaskulären Okklusionen oder entsprechenden Veränderungen im Bereich des Sehnervenkopfes, bei bisher ausschließlich einäugig aufgetretenem Glaukom, bei Pseudoexfoliationssyndrom (Ablagerungen von grauweißem, flockenartigen Material im vorderen äusseren Augenabschnitt) oder bei Pigmentdispersions- Syndrom (abgelöste Pigmentzellen verstopfen Schlemmschen Kanal und Trabekelwerk). In jedem Fall ist Früherkennung der Schlüssel für eine erfolgreiche Behandlung, die drohende Erblindung kann im Regelfall mithilfe einer adäquaten Behandlung verhindert werden. Bei Vorhandensein eines Hochdruckglaukoms wird zunächst versucht, den AID medikamentös abzusenken und mit entsprechender Dosierung einzustellen. Aber auch der Vorbeugung eines Niedrigdruckglaukoms nach LASIK sowie refraktiver Chirurgie oder auch bei Keratokonus aufgrund reduzierter Hornhautdicke gilt die Konzentration des aufmerksamen Diagnostikers. Entsprechend Betroffene gilt es sensibel hinsichtlich der routinemäßigen Prophylaxe aufzuklären, ohne sie dabei gleich unnötig zu verängstigen.
Beobachtung und Evaluation des Sehnervenkopfes (Optic Nerve Head Analysis = ONHA) sind für die Glaukomdiagnose extrem wichtig, kontinuierliche Fotodokumentation zur langfristigen Beobachtung von Größe, Asymmetrie, Cup-Disc-Ratio, Beschaffenheit der papillären Strukturen und Gefäße etc. obligatorisch. Aus einer hochinteressanten, spannenden und sehr detaillierten Darstellung diverser klinischer Fälle leitet R. Bennet die Erkenntnis ab, dass es keineswegs genialer und außergewöhnlicher Fähigkeiten bedarf, dieses Krankheitsbild zu erkennen und entsprechend zu behandeln. Genaue Kenntnisse der Grundprinzipien der Diagnose am Augenhintergrund sowie der Behandlung sind, wie sonst auch in der Medizin üblich, der Schlüssel zum Erfolg: Ein Verhindern des Fortschreitens dieser gefährlichen Erkrankung.
Aus der Erkenntnis der Messung der zentralen Hornhautschichtdicke (die normale Durch-schnittsdicke beträgt 535- 540 Mikrometer) und dem Messergebnis des AID kann prinzipiell noch keine lineare Ableitung oder das Erstellen eines mathematischen Algorithmus für das Vorhandensein eines erhöhten Glaukomrisikos erfolgen. Bei der Messung des AID ist das Messergebnis sicherlich abhängig von der zentralen Dicke; bei tendenziell dünner Hornhaut wird es deshalb eher zu einem niedrigeren Druckergebnis kommen, die AIDMessung über einer dickeren Hornhaut führt zwangsläufig zu einem höheren Druckergebnis.

Konjunktivitis

Bina Patel vom New England College of Optometry in Boston widmete sich der „Differenzierung virös oder bakteriell ausgelöster Konjunktivitis“. Oft sind die Augenlider ebenfalls betroffen, nicht unbedingt zwingend auch der Bereich der Cornea. Einflussnehmend sind stets exogene Faktoren, welche die Infektion im Bindehautsack letztendlich auslösen. Bei Vorhandensein eines roten Auges ist zunächst der Tränenfilm genau zu analysieren, die Blinkreaktion und der Tränenfluss sollte beobachtet werden. Offensichtlich sind die im Tränenfilm vorhandenen Lysozyme und Laktoferine zur Abwehr von Mikroorganismen temporär nicht mehr in der Lage. Der Grund für eine Infektion liegt deshalb in einer augenblicklich geschwächten Immunabwehr und entsprechend erhöhten Konzentration von Mikroorganismen im Bereich des vorderen äußeren Augenabschnitts. Entweder wurde die normale Flora zwischenzeitlich toxisch (bakteriell, virös oder allergisch ausgelöst) oder es handelt sich um eine lokale, temporäre Immunschwäche. Eine infektionsbegleitende Hyperämie ist im bakteriell ausgelösten Fall von eher diffuser, limbusferner Erscheinung in Fornixnähe. Virös ausgelöst ist sie generell diffus. Das Herunterziehen des Unterlides und die Beurteilung der konjunktivalen Follikel und Papillen schafft zusätzliche Aufklärung: Eine bakteriell ausgelöste konjunktivale Hyperämie äußert sich in deutlichen neovaskulären Veränderungen in Form verstärkter Rötungen der Follikelzentren. Virös ausgelöste konjunktivale Hyperämien zeigen dagegen eher geringer ausgeprägte vaskuläre Veränderun-gen und diese dann auch auf den Bereich der Follikelbasis beschränkt. Im Falle bakteriell induzierter peripherer cornealer Infiltrate ist eine Entzündung der angrenzenden Konjunktivitis eine typische Begleiterscheinung (Vorkommen sowohl einäugig wie auch beidäugig, fallweise auch chronisch). Bei Auftreten virös ausgelöster cornealer Infiltrate ist der Virus inzwischen inaktiv, das Auftreten stets beidäugig. Eine Chemosis (durchsichtige ödematöse Schwellung) der Bindehaut hat vorwiegend viröse Ursachen.
Bakteriell ausgelöste konjunktivale Entzündungen werden unter Verabreichung von Antibiotika innerhalb von 48 bis 72 Stunden nach dem Auftreten erster Symptome behandelt. Bei virös ausgelöster Konjunktivitis empfiehlt sich eine Behandlung mittels sorgfältigem, kontinuierlichem Spülen und Auswaschen der betroffenen Bereiche, Entfernung der Absonderungen mithilfe von Q-Tipp, Verbreichung von künstlichen Tränen oder dem Auflegen von Kompressen.
Bei Beobachtung abnormer Hyperämien sind beide Augen sorgfältig auf Unterschiede beispielsweise bei den Muskelbewegungen, Pupillenreflexen oder auch beim Visus zu überprüfen. Lymphdrüsen im Ohrenbereich sind abzutasten und auf abnorme Schwellungen zu untersuchen. Beim leider weit verbreiteten Trockenen Auge ergibt die Klassifikation der zu beobachtenden cornealen Stippen (Lage, Tiefe , Ausbreitung) Auskunft über den Grad sowie die Notwendigkeit therapeutischer Maßnahmen.

Okluläre Auswirkungen von Diabetes und Bluthochdruck

Bina Patel vertiefte in ihrem zweiten Vortrag das Thema der „okulären Auswirkungen von Diabetes und Bluthochdruck“. Bei Vorhandensein diabetischer Erkrankungen muss die Netzhaut des Diabetikers unbedingt ständig kontrolliert werden, wogegen die Retinabeobachtung des Bluthochdruckpatienten dagegen nicht ganz so zwingend und in engen zeitlichen Abständen erforderlich ist. Im Jahr 2002 betrug die Quote der Diabetes bedingten Retinopathien weltweit 4,8 %; zum Vergleich: Der Anteil der durch Katarakt ausgelösten Erblindung (Visus mit bestmöglicher Korrektion < 0.02) war mit 47,8% zehnmal so hoch. Diese erstaunlich hohe Zahl hat ihre Hauptursache in der medizinisch sehr schlechten Versorgung der bevölkerungsstarken, aber armen Länder der Dritten Welt. Man verzeichnet in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Diabetischen Retinopathien (DR) in den hochzivilisierten Nationen, besonders bei Personen höheren Alters. Im Jahr 2003 waren weltweit bereits etwa 194 Millionen Menschen (Quote 5,1 %, Tendenz weiter steigend) der erwachsenen Weltbevölkerung daran erkrankt. Dabei beobachtet man auffälligerweise eine regional eingeschränkte Glukosetoleranz besonders in Teilen Brasiliens, den USA, Teilbereichen Asiens und Russlands und einem kleinen Bereich in Zentralafrika. In Europa liegt die Zahl der an Diabetes erkrankten Menschen bei knapp 50 Millionen, das ist der Spitzenplatz in der Rangliste der Erdteile. Man prognostiziert für die europäischen Breitengrade einen Anstieg von derzeit 7,8 % auf 9 % im Jahr 2025, wobei Deutschland an 6. Stelle der weltweiten Rangliste mit 6,3 Millionen an Diabetes erkrankten Menschen liegt (führend: Indien mit 35 Millionen Diabetikern). Vor allem bei der heranwachsenden Bevölkerung ist eine ansteigende Tendenz zu verzeichnen; die Erkrankung gehört offensichtlich zu den Wohlstandskrankheiten, entsprechend verbreitet in den hochzivilisierten Nationen (hohes Alter, Übergewicht, Bewegungsarmut, bequemer Lebensstil, Urbanisation etc.). Die Auswirkungen auf den Körper sind im Falle von zu später Diagnose lebensbedrohend (Schlaganfall, Nierenversagen, Herzinfarktgefahr), am Auge droht Erblindung.
Die klinische Klassifizierung erfolgt in die diabetische, nicht proliferative Retinopathie mit drei Stadien (gering/mild, mäßig, fortgeschritten), welche sich zur proliferativen diabetischen Vitreoretinopathie (DPVR) entwickeln kann sowie die diabetische Makulopathie (3 Formen: fokal, diffus, ischämisch; Differenzierung erfolgt mithilfe einer Fluoreszenzangiographie). Die nicht proliferative Retinopathie (DR) im geringen, milden Stadium zeigt gering ausgeprägte Mikroaneurysmen (lokalisierte sackförmige Erweiterung einer Kapillare als roter Fleck mit scharfen Rändern) und wenige intraretinale Blutungen in einem oder mehreren Quadranten der Netzhaut. Das Risiko der Progression beträgt 5 % im ersten Jahr und weitere 15% in den darauffolgenden Jahren. Im mäßigen Stadium entwickeln sich zusätzlich perlschnurartig veränderte Venen in einem bis drei Quadranten mit einer Progressions-wahrscheinlichkeit von 33 % in den folgenden fünf Jahren. Der Grad der Veränderungen nimmt im fortgeschrittenen Stadium deutlich zu: Blutungen in allen Quadranten, unregelmäßig verdünnte und verdickte Venenverläufe in mindestens zwei Quadranten, intraretinale mikrovaskuläre Anomalien (IRMA) in mindestens einem Quadranten mit erhöhtem Rötungspotential (4-2-1 Regel). Das Risiko der Progression der Erkrankung steigt auf 60% in den darauffolgenden 5 Jahren, eine Funduskontrolle sollte in diesem Krankheitsstadium alle 3 bis 4 Monate erfolgen. Eine hohe Gefahr geht während des Krankheitsverlaufes der DPVR von den im Papillenbereich und an der Netzhautoberfläche neu gebildeten Gefäßen aus; diese sind bruchgefährdeter, das Risiko präretinaler Blutungen steigt an. Entsteht ein klinisch signifikantes diabetisches Makulaödem, verdickt sich der betroffene retinale Bereich. Eine Verabreichung von Aspirin als blutverdünnende Maßnahme zeigt keinerlei Effekt hinsichtlich Progression der Erkrankung. Die Photokoagulation mittels Laser dagegen ist eine weit verbreitete Therapiemaßnahme zur Herabsetzung des Risikos einer DR. Hilfreich ist diese Therapie auch zur Reduzierung der verdickten Bereiche nach Makulaödem, ein daraus resultierender Visusabfall kann damit fallweise moderater ausfallen. Aufgrund der gezielten Zerstörung von Zellmaterial ergibt sich lokal ein geringerer Sauerstoffbedarf, das Risiko von Neovaskularisation kann dadurch abgesenkt werden.
Diverse Studien beweisen, dass eine kontinuierliche Kontrolle des Blutzuckerspiegels und eine entsprechend früh einsetzende Behandlung das Risiko der Erkrankung an einer DPVR deutlich zu reduzieren in der Lage ist, lang anhaltende Therapieerfolge bei Erhaltung des fragilen Status Quo der Retina bei Erkrankung an Diabetes sind zu verzeichnen.
Verschiedene zusätzliche Erkrankungen wie beispielsweise Proteinuria (die Leber wäscht Proteine nicht mehr vollständig aus), Bluthochdruck oder diverse Gefäßerkrankungen sowie eine ungesunde Lebensweise (wenig Bewegung, erhöhter Cholesterinspiegel) erhöhen das Risiko für eine proliferative Retinopathie. Ein unmittelbarer Zusammenhang des Auftretens einer DR bei Rauchern erscheint nach wie vor noch unklar. Definitiv dagegen ist der direkte Zusammenhang zwischen Nikotingenuss und einem deutlich erhöhten Risiko für Neuropathien. Je länger Diabetes als Krankheitsbild vorhanden ist, desto mehr steigt das Risiko der Erkrankung an einer DR. Die hauptsächliche Funktion des Optometristen im verantwortungsbewussten Patientenmanagement liegt dabei in erster Linie in Prävention durch kontinuierliche Beobachtung sowie sorgfältiger Dokumentation der entsprechenden Untersuchungsergebnisse.

Neuro-opthalmologische Erkrankungen

Leonard V. Messner vom PCO in Philadelphia referierte über „klinische Herausforderungen bei neuro-ophtalmologischen Erkrankungen, den nicht glaukomatös induzierten Veränderungen des Sehnervs“. Meist ist die vordere Partie des Sehnervs betroffen, beobachtbar eine entsprechende blasse oder auch hyperämische Papillenschwellung, umgeben von streifigen Blutungen. Aufgrund des Blutstaus und einer induzierten entsprechenden Schwellung schlängeln sich die Blutgefässe, der Druckverhältnisse um den Sehnerv herum verändern sich und es kommt zu einem konsekutiven Infarkt der Nervenfaserbündel vor der Lamina cibrosa (Porensystem der Sklera im Bereich des Sehnervdurchtritts). Man spricht hier von einer Luxury Perfusion: Dieser im modernen Sprachgebrauch zunehmend verwendete Begriff beschreibt eine hyperämische Disc mit entsprechender Schwellung im Papillenzentrum und diffuser Begrenzung. Selten ist die hintere Sehnervpartie betroffen, ein Ödem entsteht dabei nicht. Man unterscheidet die nicht arteriitische Anteriore Ischämische Neuropathie (NION) von der Arteriitis temporalis (AION). Bei der nicht arteriitischen NION tritt ohne signifikante Ankündigungen ein plötzlicher Visusabfall an einem Auge auf (Aufwachen mit visuellem Problem). Die Geschwindigkeit und der Grad der visuellen Reduktion sind unterschiedlich, eine Einbuße des Farbsehens verläuft proportional zur Einbuße der Sehschärfe als Auswirkung des zwischenzeitlichen Papillendefektes, mögliche Gesichtsfelddefekte ergeben sich nicht unbedingt zwangsläufig und parallel ablaufend. Nach der Erkrankung an einem Glaukom ist dies die häufigste Neuropathie, betroffen sind meist Menschen über 50 Jahre (Verhältnis Männer zu Frauen 2:1). Die hauptsächlichen krankheitsbedingten Risikofaktoren sind Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Rauchen und Nebenwirkungen bei Medikamenteneinnahme sind nicht eindeutig zuzuordnen. Vorsicht ist hier allerdings bei der Einnahme von Betablockern zur Regulierung von Bluthochdruck und der Verwendung von Viagra geboten, da sich dabei das Risiko für eine Erkrankung deutlich erhöht. Medikamentöse Behandlung besteht u.a. in der Verbreichung von Aspirin, Kortiko-steroiden oder auch Heparin. Chirurgisch ist bei entsprechendem Komplikationsgrad eine Sehnervscheidenspaltung (ONSD) das Verfahren der Wahl. Innerhalb von zwei Monaten beobachtet man einen Rückgang des Ödems und eine zunehmende Blässe des betroffenen Papillensektors, ein Rezidiv desselben Auges ist selten. Verschiedene Studien gelangen zu dem Ergebnis, dass die Gefahr für das Auftreten einer NION am Begeleitauge über den Zeitraum von 5 Jahren bei etwa 20% liegt.
Im Gegensatz dazu ist das Auftreten einer arteriitisch bedingten anterioren Neuropathie AION und die begleitende Sehschärfeneinbusse begleitet von Schläfenkopfschmerz, Gewichtsverlust sowie wechselnden rheumatischen Beschwerden (Schmerzen im Schultergürtelbereich und/ oder bei Kaubewegungen). Das Gesichtsfeld weist begleitend erhebliche Ausfälle auf, es kommt zu einem afferenten Pupillendefekt. Ursachen sind wahrscheinlich Autoimmun-erkrankungen gegen Antigene in der Arterienwand vorwiegend extrakranialer Gefäße. Betroffen sind meist Menschen über 60 Jahre. Wenn bereits ein Sehverlust eingetreten ist, kann auch durch die Verabreichung von Kortison keine Besserung mehr erreicht werden; selten erkrankt auch das Gegenauge bei lebenslänglich andauernder medikamentöser Behandlung.
Eine weiteres Krankheitsbild im Bereich des Sehnervs, welches sich im Wahrnehmen von Sehschärfeneinbussen ankündigt, ist die Optic Neuritis (ON) oder Neuritis Nervi Optici, differenziert in Papillitis und Retrobulbärneuritis (Auftreten Männer zu Frauen 1:2 mit einer Quote von 6,4 auf 100.000 Menschen). Zum plötzlichen einäugigen Sehschärfenverlust (Visusminimum dabei meist zwischen 0.1 bis 0.5, selten unter 0.1) beobachtet man einen relativen afferenten Pupillendefekt (Helligkeitsverluste) sowie einen erheblich gestörten Farbsinn, der Patient klagt über Augenbewegungsschmerzen, teilweise in den Bereich der Lider ausstrahlend. Bei Auftreten im Papillenbereich präsentiert sich diese bei der Fundusbeobachtung prominent, im Bereich der peripapillären Nervenfaserschicht beobachtet man wenn überhaupt, nur wenige streifige Blutungen. Im retrobulbären Bereich dagegen erkennt man keine Veränderung der Papille und des Fundus (der Patient sieht nichts, der Fundusbeobachter sieht nichts). Die Ursachen sind oft nicht erkennbar (idiopathisch), Begleiterkrankung bei MS (Mutliple Sklerose), infektiös (beispielsweise begleitend zu Syphilis, Borreliose, Virusinfektionen; bei Kindern z.B. bei Masern, Mumps oder Röteln), Autoimmunerkrankungen oder auch andere intraokulare Entzündungen. Eine spontane Besserung des Visus beginnt nach etwa zwei Wochen; 92% der Betroffenen erreichen nach vollständiger Heilung wieder eine Sehschärfe von 0.5 und mehr, es bleiben oft geringe Störungen des Farbsehens sowie der Kontrast/Helligkeitswahrnehmung bestehen. Ein wirksames Therapiemanagement sollte nicht länger als acht Tage nach Beginn der Erkrankung einsetzen; verbreitet besteht die medikamentöse Behandlung überwiegend in wechselnden Dosierungen von Kortikosteroiden; die Diskussion über optimale Therapiemaßnahmen dauern aber nach wie vor noch an, eine Meinungsbildung ist hier noch nicht abgeschlossen.

Workshops

Zweistündige, parallel ablaufende Workshops zu dem Themenkomplex Elektronische Darstellung und differenzierte Analyse von Sehnervkopf, Fundus und der Netzhaut mittels hochkomplexer, von den Herstellern freundlicherweise vor Ort zwecks praktischer Demonstration zur Verfügung gestellter modernster elektronischer Geräte (z. B. konfokale Laser Scanning Tomographie, Optische Kohärenz Tomografie mittels Laserwellen) einerseits sowie andererseits Klinische Fallpräsentationen und Analyse von Diabetischen Retinopathien vertieften das sowohl für die Referenten als auch die Besucher extrem umfangreiche und höchst anspruchsvolle Tagungsprogramm.

DOZ 08-2006